Nachdem ich meine vierteilige Reihe zu meinem Schottland Roadtrip veröffentlicht hatte, wurde ich oft gebeten, alle Artikel zu einem Großen zu vereinen. Dieser Bitte komme ich natürlich gerne nach! Viel Spaß beim Lesen!
Schottland Roadtrip Teil I: „You are fucking crazy man“
Im November vergangenen Jahres hatte ich noch über 5 Wochen Resturlaub. Was lag also näher, als all diese Zeit zum Surfen zu nutzen. Dies war aufgrund meines Schulterbruchs bisher eh viel zu kurz gekommen. Genau mit diesem Ziel packte ich meinen geliebten Surfbus, hatte aber – absichtlich – noch keinen fixen Plan wo es hingehen sollte. Ich wollte kurzfristig auf Basis der besten Windbedingungen entscheiden, um auch möglichst viel Zeit auf dem Wasser verbringen zu können.
Basierend auf den Windstatistiken für diese Jahreszeit spekulierte ich auf Portugal, Tarifa oder Marrokko und ich begann mich auf die Zeit in der angenehm warmen Herbstsonne Südeuropas oder Nordafrikas zu freuen. Die Abfahrt rückte immer näher und meine Vorfreude auf die warme Herbstsonne sank zusehends: Die für diese Jahreszeit normalerweise zuverlässigen Windsysteme brachen beinahe komplett zusammen und die Wind- und Wellenvorhersage sah katastrophal aus. Somit waren Spanien, Portugal und Marrokko vorerst aus dem Rennen.
Doch wohin sollte stattdessen die Reise gehen? Stundenlange wühlte ich mich durch Wetterkarten, meteorologische Vorhersagen und maritime Forecasts ehe mir klar wurde: Auf dem Festland Europas würde ich kein zuverlässiges und vor allem beständiges Windsystem erwischen. Für eine Fernreise in Richtung Brasilien oder Südafrika war ich zu spät dran. Was also tun? Nochmal checkte ich die Wetterkarten und kam zum selben Ergebnis: kein Wind in ganz Europa! Ganz Europa? Nein! Über dem Atlantik baute sich ein massives Tiefdrucksystem mit Ziel Irland und Schottland auf. Da dies das zur Zeit einzig vielversprechende Windsystem zu sein schien, war meine Reiseziel somit alternativlos.
Irland und Schottland sollten, beziehungsweise mussten es also werden. Über Tiree, einen angeblichen Weltklasse-Spot im Norden Schottlands hatte ich mal gelesen, über Irland und vor allem die Brandon Bay erst recht, aber mehr wusste ich über das Surfen und die lokale Szene auch nicht. Intensive Internetrecherchen versprachen traumhafte Bedingungen in wunderschöner Natur. Doch natürlich musste ich mich schnell vom Gedanken an eine angenehm warme Herbstsonne verabschieden und mich genauso schnell auf das nasskalte Wetter der britischen Inseln einstellen. Vorfreude sah in diesem Moment anders aus. Nachdem die kurzen Hosen im Gepäck gegen Thermo-Unterwäsche und Winterjacken getauscht waren, ging es los.
Mein erstes Ziel war Calais, um mit der Fähre nach Dover überzusetzen. Dort wollte ich entscheiden, ob es Richtung Schottland oder Irland gehen sollte. Die ganze Fahrt über schüttete es in Strömen und um Stuttgart herum schneite es sogar, als wollte mich das Wetter zum Umkehren bewegen. In der Tat krochen erste leichte Zweifel in mir hoch, ob meine Entscheidung tatsächlich die richtige war. Denn Erholungsurlaub würde es ganz im nasskalten Norden ganz sicher nicht werden. In der Früh um fünf Uhr bei immer noch strömendem Regen erreichte ich Calais und setzte mit der nächsten Fähre direkt nach Dover über. Die See im Ärmelkanal war vom Wind aufgepeitscht und im Halblicht des neuen Tages wirkten die wolkenverhangenen Felsen von Dover trist und unfreundlich. Nicht gerade der Stimmungsaufheiterer den ich gebraucht hätte.
Währenddessen checkte ich weiter alle Vorhersagen und bald darauf war mir klar, Schottland – genauer gesagt Tiree – sollte es werden. Tiree ist eine beinahe winzige Insel der inneren Hebriden mit gerade einmal 600 Einwohnern. Die kleine Insel liegt in den Ausläufern des Golfstroms und fängt den meisten westlichen Swell des Atlantiks ein. Da die Insel sehr klein ist, gibt es für jede Windrichtung einen geeigneten Spot. Mit einem Ziel vor Augen für meinen Schottland Roadtrip verließ ich das Schiff, ehe ich jäh vom Zoll gestoppt wurde. Ein freundlich, aber skeptisch dreinblickender Beamter öffnete meine Tür und verlangte meine Papiere. Als er den Grund und den Ziel meiner Reise erfragte und ich mit „Windsurfen in Schottland“ antwortete, fiel der gute Mann vom Glauben ab. Kurze Zeit später begutachteten 3 Beamte meinen Bus, hielten sie meine Geschichte doch für absolut unglaubwürdig. Welcher Verrückte kommt im November freiwillig den weiten Weg von München nach Schottland, um auf einer gottverlassenen Insel Surfen zu gehen? Erst der Anblick meiner zahlreichen Surfbretter und Segel überzeugte sie vom Gegenteil und mit einem „You are fucking crazy, man!“ verabschiedeten sie sich von mir.
Vorsichtig reihte ich mich in den Linksverkehr ein und fuhr gemächlich Richtung Norden. Hinter London beschloss ich, die Fähre für den nächsten Tag nach Tiree zu buchen. Über die Servicehotline wollte ich die Fähre buchen, als ich die erste böse Überraschung erlebte: Die Fähre für den kommenden Tag war restlos ausgebucht. Damit hatte ich im November nicht gerechnet. Wieder kamen Zweifel auf, ob es tatsächlich die richtige Entscheidung war, hierher zu kommen. Nach Plan lief es auf jeden Fall bisher nicht. Letzten Endes buchte ich einen freien Platz auf der Fähre in drei Tagen und versuchte das Beste aus der Situation zu machen. Auf dem Weg Richtung Norden hätte ich nun zumindest ausreichend Zeit, den Highlands einen Besuch abzustatten und wandern zu gehen. Für einen Schottland Roadtrip vielleicht gar nicht verkehrt, diese auferlegte Zwangspause.
So setzte ich meine Fahrt Richtung Norden fort und konnte mich zusehends wieder beruhigen. Da es endlich auch zu Regnen aufgehört hatte, drückte auch das Wetter nicht mehr so auf meine Stimmung.
Da ich aufgrund meiner Pausen langsamer war als erwartet, war es Zeit für mein Nachtlager. Wie üblich auf Durchreise wollte ich mich auf einen Autobahnrastplatz stellen und ein paar Stunden schlafen, doch hier wartete schon die nächste böse Überraschung: Autobahnparkplätze sind in Großbrittanien kostenpflichtig, sofern man länger als zwei Stunden stehen bleibt. Eine erholsame Nacht sieht anders aus und ich war nicht bereit für einen Parkplatz neben der Autobahn 15 Pfund zu berappen! So suchte ich lange auf einer Landstraße nach einer ruhigen und vor allem kostenlosen Parkbucht. Endlich gefunden, legte ich mich sofort ins Bett und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages weckten mich und ich wachte leicht gerädert auf. Unter meiner dicken Decke war es mollig warm, doch mein Bus kühlte über Nacht deutlich aus und es fühlte sich richtig ungemütlich an. Da waren sie wieder: diese Zweifel! War es tatsächlich richtig herzukommen? Seit über 2 Tagen war ich zu diesem Zeitpunkt schon unterwegs, doch Vorfreude oder gar ein Urlaubsgefühl wollte sich noch nicht einstellen.
Auf der anderen Seite war ich nun aber schon einmal da und so hieß es für mich, weiterhin das Beste aus der Situation zu machen. Ich fuhr kurz darauf weiter und schon bald war ich nördlich von Glasgow in den ersten Ausläufern der Highlands unterwegs. Da ich mir keinen richtigen Plan für die Tage zurecht gelegt hatte, googelte ich nach schönen Unternehmungen für die kommenden Tage und entschloss mich, meine Reise in Schottland stilecht mit dem Besuch einer Destillerie zu beginnen. Nördlich von Glasgow liegt die Glengoyne Destillerie, die zu den schönsten Destillen Schottlands gezählt wird. Was könnte meine Zweifel besser hinabspülen, als ein guter Tropfen zwölfjähriger Single Malt. Für einen Schottland Roadtrip ist der Besuch der zahlreichen Destillen auf jeden Fall ein Muss!
So fand ich mich schon um kurz nach zehn Uhr morgens in einer Führung durch diese wunderschöne Destillerie wieder. Auch der Guide und die anderen Teilnehmer machten große Augen über meinen Plan im November auf den Hebriden surfen zu gehen und so stand ich teilweise mehr im Fokus als das „Wasser des Lebens“ wegen dem wir hier waren. Während der Tour klarte auch das erste Mal der Himmel über Schottland auf und gepaart mit dem Whisky, besserte sich dank der Sonne meine Laune von Minute zu Minute zusehends.
Nach der Führung ging es weiter zum nahegelegenen Loch Lomond, den nächsten Halt auf meinem Schottland Roadtrip. Am ruhigen Ostufer des schönsten Sees Schottlands fand ich einen kleinen, aber beschaulichen Campingplatz und beschloss, hier den restlichen Tag und die Nacht zu verbringen. Leider zog es in der Zwischenzeit wieder zu und als ich das Ufer bei einem ausgiebigen Spaziergang erkundete, begann es wieder einmal zu regnen. So verkroch ich mich am Spätnachmittag nach einer heißen Dusche in meinen Bus und genoss anschließend noch das difusse Licht der untergehenden Sonne.
Der nächste Tag versprach deutlich besseres Wetter und ich plante die erste richtige Wanderung in den Highlands.
Schottland Roadtrip Teil II: Nervenprobe
Nachdem ich am Loch Lomond die Nacht auf einem Campingplatz verbracht hatte und dementsprechend ausgeschlafen und erholt war, ging es zeitig los. Ich wollte ein paar Kilometer weiter zum Ben Lomond, dem prominentesten Berg dieser Region. Seine 974 Meter Höhe könnten mir als Bergfex normalerweise nur ein müdes Lächeln entlocken, doch versprach dieser Berg die beste Aussicht auf Loch Lomond und die umliegenden Highlands, vor allem aber ist diese Höhe hier alternativlos. Das es bei einem Schottland Roadtrip nicht alpin werden würde, war mir klar.
Bei blauem Himmel und den ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Tages ging es kurz nach dem Frühstück in Richtung Parkplatz. Entlang des Single Tracks zeigte der Herbst all seine Farben in vollster Pracht und schon die Fahrt war ein Genuss. Am Parkplatz angekommen die erste böse Überraschung. Der Parkautomat für die Kreditkarte war defekt und englisches Bargeld hatte ich absichtlich nicht dabei. Während ich bezüglich einer Lösung meines Problems rätselte, drückten mir zwei Schotten die entsprechenden Pfund einfach in die Hand. Wahnsinn! Das nennt man Gastfreundschaft pur!
Kurze Zeit später ging es los und vom soeben noch blauen Himmel war nichts mehr zu sehen. Je höher ich Ben Lomond bestieg, umso dichter wurde die Wolkendecke, bis man letztendlich von ihr sogar umschlungen wurde. Nur wenige Meter betrug teilweise die Sicht und ich fragte mich ernsthaft, ob ich überhaupt weitergehen sollte. Da mehr als die Hälfte jedoch schon geschafft war und ein älteres Ehepaar während einer kurzen Pause unbeirrt an mir vorbei stapfte, entschloss auch ich mich, weiter zu gehen. Vor allem trieb mich die Hoffnung, dass die Wolkendecke aufreißt, während ich am Gipfel stehe, weiter an.
Doch die Hoffnung schwand, je näher ich dem Gipfel kam. Eisiger Wind setzte ein und kurze Zeit später tanzten die Schneeflocken um mich herum. Glücklicherweise war ich auf einen derartigen Wetterumschwung vorbereitet, gemütlich war es dennoch nicht. Kurze Zeit später stand ich am Gipfel und genoss die Aussicht…die Aussicht in ein unendliches und dichtes Grau. Kein Lohn für meine Mühen! Dementsprechend kurz fiel der Gipfelaufenthalt aus und schon nach kurzer Zeit machte ich mich auf den Rückweg.
Und siehe da, es kam doch noch, mein verspätetes Gipfelglück. Innerhalb von Minuten lockerte der undurchdringliche Nebel auf, ehe die Wolkendecke aufriss und die Sonne das Loch und die umliegenden Berge beschien. Die Sonne tauchte die goldbraunen Herbstwiesen der Highlands in ein intensiven Licht und ich konnte mich an dem atemberaubenden Ausblick kaum sattsehen. Die Wolkendecke riss immer weiter auf, bis der Himmel wieder wolkenfrei war. Schneesturm vor einer halben Stunde? Das hätte mir keiner geglaubt! Zurück am Parkplatz fühlte ich mich das erste Mal richtig glücklich und in Schottland angekommen. Mein Schottland Roadtrip schien immer besser zu werden.
Noch am selben Tag fuhr ich entlang des Westufers des Loch Lomonds weiter in Richtung Norden. Ich wollte tiefer in die Highlands eintauchen und schließlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt ja noch zwei volle Tage, ehe meine Fähre nach Tiree ablegen würde. So fuhr ich durch eine atemberaubende Abendstimmung entlang des Lochufers und suchte den nächsten Campingplatz. Doch die Campingplätze auf dem Weg hatten sich mittlerweile schon in die Winterruhe verkrochen und so fuhr ich immer weiter in Richtung des nächsten Zwischenstopps auf meinem Schottland Roadtrip: Glencoe.
Mittlerweile war es schon stockdunkel und die Siloutten der Highlands zeichneten sich vor dem Sternenhimmel ab. Allein dieser Anblick war traumhaft. Tatsächlich landete ich noch an diesem Abend in Glencoe und fand einen Campingplatz, der ganzjährig geöffnet hatte. Dies war tatsächlich auch nötig, hatte ich nachts doch nun sogar mit Minusgraden zu rechnen und mich so am Campingplatz meine Elektroheizung warmhalten konnte. Da meine Standheizung kaputt gegangen war, wäre es ansonsten ein sehr kalter Schottland Roadtrip geworden.
Der nächste Morgen versprach traumhaftes Wetter und ich setzte mich in meinen Bus, um die umliegenden Highlands zu erkunden. Der Eindruck, den ich bei Nacht gewinnen konnte, verstärkte sich sogar noch. Die Landschaft war einfach traumhaft und entsprach genau meinen Vorstellungen der schottischen Highlands. Nach zahlreichen Fotostopps, bog ich in eine kleine Single-Track-Straße in Richtung Glen Etive, dem Drehort von Skyfall und Braveheart.
Die moorige Landschaft war wild und unberührt und man konnte tatsächlich jeden Moment damit rechnen, schottische Freiheitskämpfer über einen Hang stürmen zu sehen. Die Straße endete am Loch Etive und ich bewunderte das Panorama. Mit einer Kanne Tee setzte ich mich an einen alten Handelskai und betrachtete das Bergpanorama im spiegelglatten Wasser des Lochs. Letztendlich gesellten sich noch zwei Schotten zu mir und erzählten mir alles über diese Gegend und seine Geheimnisse. Vor allem derartige Begegnungen haben meinen Schottland Roadtrip geprägt und unvergesslich gemacht.
Nach geraumer Zeit des Müßigganges war nun etwas körperliche Ertüchtigung fällig und ich fuhr die kleine Straße wieder zurück. Zurück auf der Hauptstraße Richtung Glencoe hielt ich nochmals, um einen kleinen Teil des West Highland Ways zu wandern. Doch anscheinend war in diesem Urlaub das Wanderglück nicht mit mir, denn schon wieder zog es zu und auch diesmal war mein Gipfelglück nur von kurzer Dauer.
Dennoch glücklich kehrte ich abends auf den Campingplatz zurück und machte es mir bei einem Film in meinem Bus bequem. Zwei wunderschöne Tage in Folge! War das endlich die Wende in meinem Urlaub?
Tags darauf, der letzte Tag vor meiner Fährfahrt, war der Himmel immer noch wolkenverhangen und ich fuhr in Richtung Fort William. Das kleine Städtchen lag mit seinen grauen Häusern trist da und wirkte nicht gerade einladend und schon wieder schlug sich das bescheidene Wetter auf meine Stimmung nieder. Schlechte Stimmung? Whisky!!! Nach dem Motto besuchte ich eine Destillerie in Fort Williams. Kurz bevor die Führung losging, checkte ich meine Mails und fiel aus allen Wolken. Meine Fähre für den morgigen Tag wurde gecancelt und eine Ersatzfähre für heute früh (die Mail kam am Vorabend an) hatte ich logischerweise schon verpasst.
Nun war meine Laune endgültig im Keller und die lieblose Führung durch die Destillerie machte das Ganze nicht besser. Na toll! Da waren sie wieder, meine Zweifel, ob dies alles tatsächlich eine gute Idee war, im November auf einen Schottland Roadtrip zu starten. Ich war nur wenige Kilometer von meinem Fährhafen entfernt und doch war mein eigentliches Ziel, die kleine Insel Tiree, im Moment für mich unerreichbar.
Grübelnd verbrachte ich den Tag in meinem Bus ging meine verschiedenen Optionen durch. Sollte ich mich in Geduld üben und einfach noch ein paar Tage in den Highlands verbringen? Sollte ich nach Irland fahren und dort surfen gehen? Oder gar den Urlaub in Schottland komplett abbrechen und trotz der schlechten Windvorhersage ins sonnige Portugal fahren?
Schottland Roadtrip Teil III: Der Weg ist das Ziel
Was für ein Schlamassel! Ich saß in Glencoe fest und Tiree war für den Moment aufgrund unfahrbarer (Fähr)-Bedingungen unerreichbar. Meine Laune war am Tiefpunkt und ich war kurz davor frustriert das Handtuch zu werfen.
Doch sollte ich mich tatsächlich so schnell geschlagen geben? Nein, das war nicht meine Art und so entschloss ich mich, das Ruder wieder in die Hand zu nehmen und endlich zu reagieren, anstatt immer nur auf schlechte Nachrichten Trübsal zu blasen. Auch wenn es mir in diesem Moment schwer fiel, so machen doch gerade diese Unwägbarkeiten und Spontanitäten einen Roadtrip, besonders auch einen Schottland Roadtrip aus.
Für die kommenden Tage versprach der selbe gigantische Sturm, der eine Überfahrt nach Tiree unmöglich machte, epische Surfbedingungen auf der Kintyre-Halbinsel. Zwar lag diese wieder 180 Kilometer südwestlich meines derzeitigen Aufenthaltortes, aber ich war ja schließlich zum Surfen nach Schottland gekommen. Und wenn ich schon nicht nach Tiree kann, dann wenigstens an den besten Spot des schottischen Festlandes. Ganz in der Früh des nächsten Tages machte ich mich also auf den Weg nach Kintyre und den Strand von Machrihanish.
Mit einem Ziel und einer Surfsession vor Augen besserte sich meine Laune mit jedem Kilometer wieder und diesmal tat auch der strömende Regen meiner Laune keinen Abbruch. Schon zu Beginn der Kintyre-Halbinsel rollte eine große, geordnete Dünung die Küste entlang und mittlerweile hatte es sogar aufgehört zu regnen. Da es Wochenende war, der Spot als der beste Festlandspot Schottlands angepriesen wurde und die Forecast monströs aussah, erwartete ich eine entsprechende Horde an Surfern am Spot anzutreffen.
Doch ich lag falsch! Der Strand lag verlassen vor mir, während die Wellen an den Strand donnerten und eine tiefhängende schwarze Wolke legte sich über den Strand. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ganz alleine an einem Spot, den man nicht kennt, ist nicht gerade die beste Idee. Doch nun war ich schon einmal da und eine ausführliche Besichtigung des Spots zeigte nur ein Riff in Lee. Zeit also Surfen zu gehen!
Gerade als ich meine Boards und Segel vom Dach meines Buses holte, bogen drei weitere Busse auf den bis dahin menschenleeren Parkplatz. Buse mit Surfbrettern auf dem Dach! Endlich, nicht mehr alleine! Überschwänglich begrüßte ich die vermeintlichen Locals und stellte schnell fest: Das waren Holländer, die das selbe Schicksal mit der Fähre teilten wie ich. In dem Wissen nicht ganz alleine zu sein, baute ich deutlich motivierter auf und stürzte mich nach langer Zeit endlich wieder in die Fluten.
Doch was war nun los? Wo war der gigantische Sturm, der vorhergesagt war? Eher leidlich kämpfte ich mich durch die Wellen, die ebenfalls in der Größe noch überschaubar waren. Sollte in diesen Urlaub wohl gar nichts funktionieren?
Frustriert wartete ich eine zeitlang, ehe sich die Bedingungen zusehends verbesserten. Der Wind nahm deutlich zu, so dass ich genug Druck in meinem 4.8er-Segel hatte und auch die Wellen bauten sich kontinuierlich auf. In schönen Sets rollten sie geordnet in die Bucht und teilweise erwischte ich die schönen 2.5 bis 3 Meter Nuggets. Auch die Holländer stürzten sich nun in die Wellen und den Spot und die Session mit Gleichgesinnten zu teilen, war Balsam für meine Seele und Anschub für meinen Schottland Roadtrip.
Selbst Platzregen konnte meiner Laune nichts mehr anhaben und das überraschend warme Wasser des Golfstromes war das Tüpfelchen auf dem i. Diese Session war genial, so dass ich kaum mehr weg wollte. Dennoch machte ich zwischendrin immer wieder Pause, um mich nach meiner Fähre für den morgigen Tag zu erkundigen, wurde aber von der Reederei immer wieder vertröstet. Gerade als ich mich entschlossen hatte, die Fähre für den kommenden Tag zu stornieren und die Bedingungen hier noch ein bisschen auszukosten, bekam ich eine neue Mail: meine Fähre für den morgigen Tag wurde storniert.
Zwar passte dies nun in meine Pläne, aber die Fähre für übermorgen war bereits wieder ausgebucht. Früheste Abfahrt: in drei Tagen. Trotz der Session war meine Laune – mal wieder – an einem Tiefpunkt. Mehr als eine Woche hätte ich dann bis zur neuen geplanten Abfahrt schon in Schottland verbracht, ohne an meinem Ziel anzukommen. Konnte dies wirklich sein?
Zum Glück war ich nach drei Stunden auf dem Wasser viel zu müde, um mich aufzuregen und das gemeinsame Abendessen mit den Holländern lenkte mich ab. Dass der Wolkenhimmel am Horizont aufriss und die Bucht zum Sonnenuntergang in goldenes Licht getaucht wurde, entschädigte wenigstens ein bisschen für die erneuten Sorgen.
Für den nächsten Tag waren noch fettere Bedingungen vorhergesagt und so schlief ich irgendwann doch entspannt und glücklich direkt am Parkplatz ein. Nachts meldete sich das zahlreiche Bier des Abends und als ich den Bus verließ um dem Ruf der Natur zu folgen, verschlug mir ein sternenklarer Himmel den Atem. Kein künstliches Licht verschmutzte die Aussicht auf die Milchstraße. Noch nie hatte ich so viele Sterne gesehen.
Geplättet schlief ich wieder ein und erwachte am nächsten Tag bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. Die grünen Dünen bildeten einen krassen Kontrast zum tiefblauen Wasser und noch immer liefen wunderschön geordnete Wellen in die Bucht. Perfekte Surfbedingungen! Ja, perfekt, hätte sich nicht der Wind entgegen aller Vorhersagen komplett verabschiedet. Während der Strand zunehmend von Einheimischen in Beschlag genommen wurde, die das schöne Wetter genießen wollten, überlegten wir, was zu tun sei.
Nach einiger Zeit frischte der Wind ein wenig auf und man konnte zumindest durch die Wellen dümpeln, um sie anschließend zum Abreiten zu erwischen. Noch immer waren die Wellen groß und kräftig und perfektes Timing war gefragt. Machte man sich zu früh oder zu spät auf den Weg durch die Brecher, erwischten einen die größten Wellen eines Sets und brachen erbarmungslos über einem und seinem Material. Dennoch konnten die Holländer und ich die Session bei, beziehungsweise dank dem wunderschönen Wetter genießen.
Ich erwischte einige schöne Wellen, die teilweise auch 4 oder 5 Turns erlaubten. Natürlich fehlte der Wind für aggressive Ritte, aber so war wenigstens Soulsurfen angesagt.
Doch auch diese Session ging irgendwann zu Ende und ich musste mir überlegen, wie es weitergehen sollte. Ich war auf die Fähre übermorgen gebucht, doch hier drohte dank der nächsten Sturmfront schon wieder eine Stornierung. Die einzige Fähre an einem windstillen Tag, dem morgigen Tag, war ausgebucht. Lange haderte ich, überlegte hin und her und entschloss mich letztendlich dennoch in Richtung des Fährhafens Obans zu fahren. Ich wollte mein Glück am morgigen Tag probieren und versuchen, einen Platz auf der ausgebuchten Fähre nach Tiree zu erwischen.
In völliger Dunkelheit kam ich in Oban an, stellte mich auf einen kleinen Parkplatz und schlief die wenigen Stunden bis zur Fähre in der Früh um fünf Uhr . Ich wollte möglichst früh am Pier sein und mit viel Glück noch einen Platz auf der Fähre erhaschen. Doch diese Idee hatten mehrere Autos vor mir und ich war Nummer 8 oder 9 der Autos ohne Buchung, die auf einen freien Platz hofften. Meine kleine zarte Hoffnung schwand jäh, während die Autos mit Reservierung nacheinander im Bauch des Schiffes verschwanden.
Mittlerweile war die Uhrzeit des Ablegens fast erreicht, alle regulären Autos verschifft und ich fand mich damit ab, auf eine Fährfahrt morgen hoffen zu müssen. Doch in genau diesem Moment setzte sich unsere Kolonne in Bewegung und die Hafenmitarbeiter winkten ein Auto nach dem anderen in Richtung Schiff. Sollte ich tatsächlich so viel Glück haben? Noch wagte ich nicht daran zu denken, doch kurze Zeit später fand auch ich mich im Bauch des Schiffes wieder. Als eines der letzten Autos quetschte ich mich in die letzte Reihe, ehe die Luke hinter mir mit einem lauten Knall geschlossen wurde. Ich hatte es tatsächlich geschafft! Ein wichtiger Etappensieg auf meinem Schottland Roadtrip!
Teil IV: Das Glück am Ende des Regenbogens
Fast eine Woche nach meiner Ankunft in Großbritannien war ich endlich auf dem Weg zu meinem ursprünglichen Ziel: Tiree. Sechs Tage verbrachte ich in Schottland, die so nie geplant waren und die mir immer wieder alles abverlangt hatten. Wie viel ich in diesen Tagen erlebt und gesehen hatte, war mir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst. Auch nicht, dass dieser Schottland Roadtrip einer voller Erfolg war bis hier hin. Ich war einfach froh, endlich mein Ziel vor Augen zu haben. Als die Fähre brummend und vibrierend vom Hafen ablegte und in See stoch, ließ ich mich zufrieden in einen Sessel sinken. Was sollte denn jetzt noch schief gehen?
Da war ich also: Tiree! Eine kleine Hebriden-Insel mit gerade einmal 600 Einwohnern, dem zigfachen an Kühen und Schafen und nur wenigen Quadratkilometern Land, eingerahmt in die endlosen weiten des atlantischen Ozeans. Beinahe eine Woche hatte es mich gekostet, diese kleine Insel zu erreichen und in dem Moment als ich die Fähre verließ, war ich unendlich glücklich. Angekommen am Arsch der Welt!
Ich verließ den Hafen und fuhr mit dem Bus über die kleine Insel, um mir einen ersten Überblick zu verschaffen. Bei einer Länge von 19 und einer Breite von gerade einmal 5 Kilometern, sollte dies weiter nicht schwierig sein…dachte ich! In der Tat ist das Straßennetz auf Tiree am Anfang sehr verwirrend, da alle Straßen kreisförmig angelegt sind, die ineinander übergehen. Somit gibt es auf dieser Insel überproportional viele Kreuzungen und Querverbindungen. Nach einiger Zeit, hat man den Dreh aber leicht raus.
Nach kurzer Zeit kam ich an der Hauptstadt Scarinish und dem größten Supermarkt der Insel vorbei. Dieser ist sieben Tage die Woche von 7 Uhr in der Früh bis 22 Uhr abends geöffnet…für 600 Einwohner. Schlangen an der Supermarktkasse sind also nicht zu erwarten. Ansonsten besteht die Hauptstadt gefühlt aus gerade einmal fünf Häusern, einer Bank und dem Postbüro. Generell sind auf Tiree die Häuser sehr weit verstreut und wirkliche Zentren oder Dorfkerne gibt es nicht. Die Leute hier scheinen die Abgeschiedenheit zu genießen und ziehen dementsprechend auch einen gehörigen Abstand zu den Nachbarn vor.
Ich fuhr weiter über die Insel, die sich eigentlich als eine riesengroße Kuh- und Schafsweide entpuppte. Überall stand unzähliges Vieh direkt neben der schmalen, einspurigen Straße und mehr als einmal musste ich mir den Weg freihupen. Leider wurde Tiree an diesem Tag seinem Ruf als sonnigster Platz Großbritanniens nicht gerecht, denn die Wolken hingen tief und grau über der Insel und der typische britische Nieselregen machte meine ersten Strandspaziergänge ungemütlich. Da heute Flaute angesagt und somit an Surfen nicht zu denken war, erkundete ich nacheinander die berühmt-berüchtigten Spots der Insel.
Andere Windsurfer waren nicht zu sehen, doch dafür machte ich das schlechte Wetter an diesem Tag verantwortlich und malte mir aus, am morgigen Tag bei perfekten Sideoff-Bedingungen mit einigen anderen Verrückten die Wellen zu schlitzen. Dafür traf ich einige Einheimische und wurde überschwänglich empfangen und begrüßt.
Generell erlebte ich auf Tiree in den kommenden Wochen einige Lektionen in Bezug auf Klischees: Natürlich trägt jeder, auch ich, ein ganzes Paket an Stereotypen und Klischees mit sich herum und so stellte ich mir die Einwohner von Tiree eher verschlossen, konservativ und einfach gestrickt vor. Doch genau das Gegenteil schien der Fall zu sein. Obwohl (vielleicht aber auch gerade weil) Sie auf einer der kleinsten Inseln wohnen, sind die Einwohner Tirees äußerst kosmopolitisch und belesen. Fast alle mit denen ich sprach, hatten Deutschland und sogar München schon besucht und waren auch politisch sehr EU-freundlich und generell liberal eingestellt. Dies überraschte mich sehr und strafte meine Stereotypen Lügen.
Doch weiter im eigentlichen Text: An diesem tristen Tag und nach meinem schnell gewonnenen Überblick über die Insel, stand ich also da. Dafür war ich also hergekommen? All die Mühen und all der lange Weg für diese kleine poppelige Insel? Meine anfänglich Euphorie endlich hier zu sein, wich einmal mehr der Skepsis, die mich den gesamten Urlaub zu begleiten schien. Doch ein Blick auf die Forecast stimmte mich optimistischer. Für die nächsten zehn Tage waren permanent perfekte Windsurfbedingungen angesagt. Wind aus Südsüdwest versprach zudem Sahnebedingungen für den berüchtigten Weltklasse-Spot „The Maze“.
Also versuchte ich kein Trübsal zu blasen, sondern überlegte mir, wie ich die kommenden Tage oder vielleicht sogar Wochen hier verbringen wollte. Ich könnte auf der Insel offiziell und legal campen, doch verfügen die Weiden über kein Frischwasser oder Strom. Da meine Standheizung defekt war, war dies somit nur suboptimal. Eine kurze Rechereche im Internet und einen Anruf später, entschied ich mich dafür, mich im Millhouse Hostel einzuquartieren. Das einzige Hostel der Insel war zur Zeit nicht besetzt und so hätte ich ein komplettes Haus, fließend Wasser und Strom für mich. Und die Aussicht nach intensiven Surfsessions ausgiebig heiß duschen zu können, war auch nicht die schlechteste!
So bezog ich am Nachmittag mein Quartier und fiel am Abend nach einem Film und einem genüsslichen Glas Whisky in den Schlaf. Das erste feste Dach über meinem Kopf seit Beginn meines Schottland Roadtrip.
Die Forecast hatte nicht zu viel versprochen und am kommenden Tag feuerte der Südwestwind aus allen Rohren. Noch einmal fuhr ich über die Insel, um mir nun einen realistischen Eindruck von den Spots verschaffen zu können und auch die anderen Windsurfer kennenzulernen. Den realistischen Eindruck gewann ich, aber wo waren die anderen Windsurfer? Wo zum Teufel trieben sie sich rum? Ich schien komplett alleine zu sein am Windsurf-Mekka Großbrittaniens.
Alles wundern half nichts und ich fuhr zu „The Maze“, versprach dieser Spot heute doch episch zu werden. Ich packte mein 4.2er-Segel und mein kleines Board und machte mich auf einen langen, sehr langen Weg über Sanddünen und Steine, um zum Spot zu gelangen. Nach schier endloser Lauferei durch lockeren Sand, war ich endlich am eigentlichen Spot angekommen. Die Arme waren schon lang und ich fragte mich, woher ich nun die Kraft zum Surfen nehmen sollte. Ich baute mein Material auf und betrachtete den Spot genauer:
The Maze ist ein circa 300 Meter langer Sandstrand, der auf beiden Seiten von schwarzen, schroffen Klippen eingerahmt ist, die weit ins Meer hinaus ragen. Die Wellen klatschten bedrohlich gegen die Felsen und schwarze Wolken trieben über den Novemberhimmel. Ich schaute mich noch einmal um: immer noch alleine und keine Menschenseele weit und breit! Durchatmen und los starten! Ich begann meine Session und versuchte mich an den Spot zu gewöhnen.
Doch egal wie sehr ich mich anstrengte, ich konnte die Session einfach nicht genießen. Mir war bewusst, dass ich komplett alleine auf einer kleinen schottischen Insel surfte, mitten im atlantischen Ozean surfte und Hilfe im Fall des Falles somit nicht zu erwarten war. Noch nie bremste mich eine derartige Erkenntnis so sehr aus wie jetzt gerade und ich fuhr defensiv und beinahe ängstlich durch die sich formenden Wellen. Die beeindruckende Szenerie des Spots und den Wellen die gegen die schwarzen Felsen klatschten, machten es mir nicht gerade leichter, mich hier wohlzufühlen. Zu allem Überfluss nahm nun auch der Wind noch weiter zu und ich war mit meinem 4.2er-Segel heillos überpowert.
Keine Stunde nachdem ich begonnen hatte, hieß es für mich: Segel streichen! So hatte ich mir das hier auf Tiree nicht vorgestellt. Frustriert riggte ich noch am Strand ab und machte mich auf den Rückweg. Nun hieß es, all mein Material gegen den Wind zu tragen und erschöpft kam ich am Bus wieder an. Zu diesem Zeitpunkt war meine Laune am absoluten Tiefpunkt. Ich hatte mir soviel von Tiree versprochen, hatte ewig gebraucht, um überhaupt hierher zu kommen und nun diese herbe Enttäuschung. Dieser Urlaub schien wie verhext zu sein.
Nachdem ich gepackt hatte, stellte ich mich eine gefühlte Ewigkeit unter die heiße Dusche und sinnierte über das weitere Vorgehen. Ich wollte nicht so schnell aufgeben und die nächsten Tage versprachen ausreichend Möglichkeiten dafür, es besser zu machen. Nochmal fuhr ich über die Insel und in der Flachwasserbucht der Insel, der Gott Bay, sah ich einen orangenen VW-Bus stehen. Ich kam näher und sah Windsurfmaterial herum liegen. Gleichgesinnte!
Ich stieg aus, blickte auf das Schweizer Kennzeichen und klopfte an. Zwei Jungs grinsten mich an, die es sich gerade bei Tee und Keksen gemütlich gemacht hatten. Wir unterhielten uns lange und ich erfuhr, dass die beiden schon seit knapp zwei Wochen in ihrem Camper auf Tiree ausharrten. Respekt dafür! Die beiden surften erst seit vergleichsweiser kurzer Zeit und hatten in Wellen noch keine Erfahrung. Darum hielten sie sich am Flachwasser-Spot der Insel auf. Dennoch zollte ich den Beiden höchsten Respekt, schließlich war es auch so nicht ohne, in Schottland im November surfen zu gehen.
Wir verabredeten uns für den nächsten Tag, da ein gemäßigter Spot zu Laufen schien und mit der Aussicht nicht alleine aufs Wasser zu müssen, besserte sich meine Laune wieder.
Am nächsten Tag hatte ich etwas Zeit, kündigte sich der Wind erst für den Nachmittag an. Diesmal aber aus westlicher Richtung, was einen anderen Spot fahrbar machen würde. So stand ich kurz darauf auf einer Düne und blickte auf den Spot, der anders als The Maze, direkt vor mir lag. Noch hatte der Wind nicht gedreht, aber die Wellen waren schon beeindruckend. Kurze Zeit später kamen auch die Schweizer an und wir warteten auf den Wind. Dieser kam auch mit Macht, drehte aber einen Ticken zu weit und die Sideon-Bedingungen machten den Spot mit seinen druckvollen Wellen für die Schweizer unfahrbar.
Für mich wäre der Spot im Normalfall absolut fahrbar gewesen, doch war mein Selbstvertrauen nach gestern so angeknackst, dass ich mich nicht traute, alleine wieder bei Vollhack aufs Wasser zu gehen. Zusammen mit den Schweizern fuhr ich in Richtung Gott Bay, der Flachwasserbucht der Insel. Mittlerweile hatten wir nur noch zwei Stunden bis Sonnenuntergang und wir beeilten uns aufs Wasser zu kommen. Da der Wind weiter westlich drehte als vorhergesagt, fanden wir am Spot ideale sideshore-Bedingungen und eine kleine, aber gut geordnete Welle mit circa einem Meter Höhe vor. Ideal für die Schweizer um sich in der Welle zu probieren und ideal für mich, um wieder Selbstvertrauen zu tanken. Genau dies hatte ich gebraucht: Ich genoss die perfekt geordneten kleinen Wellen und das Gefühl nicht alleine zu sein. Wir surften bis in den Sonnenuntergang und riggten erst im Dunkel der Nacht ab. Dank diesen Momenten war ich auf Tiree endlich angekommen.
Ab nun ging es nur noch bergauf: Am Tag darauf stellte ich mich wieder The Maze. Zwar war ich immer noch alleine, aber nun hatte ich vor der Einsamkeit keine Angst mehr. Über eine Stunde surfte ich in wunderschönen 2-3 Meter Wellen ehe meine Arme lang wurden und ich zur Gott Bay wechselte, um noch mit den Schweizern surfen zu gehen. Mittlerweile hatten auch noch zwei Deutsche den Weg nach Tiree gefunden, die ebenfalls in der Gott Bay unterwegs waren und so bildete sich eine lustige Fünfergruppe. So wiederholten sich die Tage und ich fühlte mich endlich erholt und angekommen. Lange hatte ich dafür gebraucht und umso schöner war es nun.
Ich hatte einige schöne Sessions in The Maze, fette Jump-Bedingungen bei Hack in der Gott Bay und auch so genügend Zeit, die Insel zu erkunden. Das Wetter wechselte hier tatsächlich im fünf Minuten-Takt und nach einem kurzen Regenschauer lachte jedes Mal wieder die Sonne. Und wo Regen und Sonne aufeinandertreffen, ist ein Regenbogen meist nicht weit. Tatsächlich sah ich auf Tiree jeden Tag mindestens einen Regenbogen, der die Szenerie vervollständigte.
Insgesamt war das Licht auf der kleinen Insel eh bemerkenswert und ich konnte meiner zweiten Leidenschaft, dem Fotografieren, in vollen Zügen nachgehen.
Einige Tage zogen so ins Land oder besser gesagt über die Insel und ich überlegte, was ich machen sollte. Ich könnte noch länger auf Tiree bleiben oder aber noch Irland einen Besuch abstatten. Für eine Fahrt weiter in Richtung Süden blieb mir leider nicht mehr genügend Zeit. Da ich hier aber weiter Tag für Tag bei epischen Bedingungen aufs Wasser kam, stand ich nicht gerade unter Druck, eine Entscheidung fällen zu müssen. Etwas Müßiggang nach dem bisher eher nervenaufreibenden Schottland Roadtrip tat ja auch mal ganz gut.
Dies änderte sich, als ich nach über zwei Wochen einen haushohen Frontloop versaute und mit dem Gesicht aus über 7 Metern Höhe auf den Masten meines Segels knallte: Nasenbeinbruch und das Gesicht sah aus wie nach einer Kneipenschlägerei. Zwar surfte ich die nächsten zwei Tage noch tapfer weiter aber dies war, gepaart mit der nachlassenden Forecast, ein Zeichen Tiree zu verlassen.
So verabschiedete ich mich nach über zwei Wochen von Tiree. Von dieser kleinen Insel, die mir schon im Vorfeld alles abverlangt hatte und es mir auch nach Ankunft nicht immer leicht gemacht hat. Ich hatte unglaubliche Sessions und wundervolle Menschen kennengelernt, auch wenn ich mich nach wie vor frage, wo sich die einheimischen Surfer versteckten.
Nachdem ich wieder Festland betreten hatte, entschloss ich mich, die Heimreise anzutreten. Zwar hatte ich noch eine Woche Zeit, doch hatten mir die bisherigen knapp vier Wochen alles abverlangt und ich sah immer noch aus wie ein Preisboxer. So freute ich mich auf Daheim, welches ich auch bald erreichte.
Ich habe mir wirklich lange Zeit gelassen, diese Artikel zu schreiben und erst beim Schreiben ist mir bewusst geworden, wie viel Tolles und Unglaubliches ich auf diesem Schottland Roadtrip erlebt habe. All die Fotos und Erinnerungen haben mir klar gemacht, dass man sich nicht immer von seinen schlechten Gefühlen leiten lassen soll. Der Schottland Roadtrip hat mir viel über mich selber gezeigt und ich bin mir sicher: Ich werde wiederkommen…aber dann zu einer anderen Zeit und nicht alleine! ;) Alle Bilder der gesamten Reise findet ihr natürlich in unserer Galerie!