Windsurfen im Winter

Bis vor ein paar Jahren war die Zahl derer, die auch im Winter jedes laue Lüftchen zum Windsurfen ausnutzten, eher überschaubar. Doch aufgrund modernster Anzüge und teils grauenhafter Windausbeute im Sommer und Herbst steigt die Zahl derer, die auch im Winter aufs Wasser gehen.

Eins darf man dabei aber nie vergessen: Windsurfen im Winter ist und bleibt, egal wie modern die Neoprenanzüge sind, gefährlich und vor allem deutlich riskanter als Windsurfen bei normalen Temperaturen. Damit ihr auch im Winter sicher windsurfen gehen könnt, stellen wir euch das Thema Windsurfen im Winter einmal ausführlich dar!

Die Gefahren:

Die Hauptgefahr im Winter ist, welch Überraschung, Unterkühlung. Was im ersten Moment harmlos klingt, kann leicht lebensbedrohlich werden, vor allem im Wasser. Die niedrigen Wassertemperaturen und die restlichen äußeren Bedingungen sorgen beim Windsurfen im Winter für ein rapides Auskühlen des Körpers, was letztlich zur Handlungsunfähigkeit, dann zur Bewusstlosigkeit und dann im schlimmsten Fall bis zum Tod führen kann. Aber warum eigentlich?

Faktor 1: Der Windchill

Chillen wird heutzutage ja eher mit entspannen und gammeln verbunden, wörtlich übersetzt heißt es aber „kühlen“ und genau dies ist damit gemeint. Je stärker der Wind, desto niedriger ist die gefühlte Temperatur. Doch nicht nur die Temperatur fühlt sich viel kälter an, der Körper kühlt auch schneller aus, als es bei der eigentlichen Temperatur und Windstille der Fall wäre.

Starker Wind wirbelt das warme, körpernahe Luftpolster auf und erhöht zudem die Verdunstungsrate auf der Hautoberfläche. Dies führt zu einer niedriger empfundenen Temperatur und einer schnelleren Auskühlung des Körpers. Nun ist natürlich genau das Problem, dass wir Windsurfer uns im Winter absichtlich starken Winden aussetzen. Wenn wir annehmen, dass wir bei 0° Celsius und fünf Windstärken (30km/h) windsurfen gehen, liegt die gefühlte Temperatur dank Windchill bei beinahe -14° Celsius….also sakrisch kalt. Mit kostenlosen Windchill-Rechnern könnt ihr euch dies selbst einmal verdeutlichen und euch ausrechnen, welchem Windchill ihr euch aussetzt, wenn ihr surfen geht.

Faktor 2: Wasser

Wasser ist für Chemiker dank verschiedenster einzigartiger Eigenschaften ein besonderer Stoff. Besonders ist auch seine hohe Wärmespeicherfähigkeit. Das klingt im ersten Moment positiv, bedeutet aber auch, dass Wasser dem Körper Wärme entzieht und so bis zu 25 mal stärker zur Auskühlung beiträgt als Luft. Hinzu kommt, dass man beim Windsurfen nahezu permanent nass ist und dank des Windchills so eine enorm hohe Verdunstungsrate wirken kann, die den Körper zusätzlich auskühlt.

Faktor 3: Der Mensch

Der Körper des Menschen hat einige gut durchdachte Schutzfunktionen, um den Kreislauf solange wie möglich am Laufen zu halten. Das funktioniert natürlich auch, wenn der Körper über seine Grenzen hinaus unterkühlt und die Körperkerntemperatur droht, auf ein zu niedriges Niveau abzufallen. Zwei der wichtigsten Schutzmechanismen sind die vermehrte Wärmeproduktion des Körpers und die sogenannte Zentralisation.

Vermehrte Wärmeproduktion kennt jeder: Zittern. Durch vermehrte Muskelkontraktion wird mehr Energie verbraucht und die Körpertemperatur kann gehalten oder sogar wieder erhöht werden. Da wir uns beim Windsurfen körperlich betätigen, verbrauchen wir Energie und der Körper produziert Wärme. Ist jedoch die Wärmeproduktion über lange Zeit geringer als die Wärmeabgabe, kann ein Absinken der Körpertemperatur und ein Auskühlen nicht verhindert werden. Somit wäre es ein fataler Trugschluss anzunehmen, man kühle nicht aus, weil man sich beim Windsurfen im Winter ausreichend sportlich bewegt.

Zeigt die vermehrte Produktion von Eigenwärme keine Wirkung oder ist die Abkühlung schon zu weit fortgeschritten, zentralisiert der Körper. Dies bedeutet, dass Extremitäten nur noch unzureichend mit Blut versorgt werden und das warme Blut zum Erhalt der Körperkerntemperatur im Torso zurückgehalten wird. Dies hat zur Folge, dass Gliedmaßen nur noch schwer zu bewegen sind und auch ein Großteil der üblichen Kraft fehlt. Dies kann beim Windsurfen natürlich fatale Folgen haben.

Konsequenz : Unterkühlung

Eins vorweg: Auf übliche Ausprägungen wie kalte Finger oder ähnliches, die auch schon bei gemäßigten Temperaturen auftreten können, gehe ich in diesem Artikel nicht ein!

Während Erfrierungen lokal begrenzt sind und keine oder nur geringe Auswirkungen auf die Körperkerntemperatur haben, führt eine Unterkühlung zu einer Abkühlung des gesamten Körpers und somit zu einem Absinken der Körperkerntemperatur. Je nachdem wie stark die Körpertemperatur absinkt, kann dies unterschiedlich schwerwiegende Folgen haben:

Körperkerntemperatur

Symptome

35-32° Celsius Muskelzittern, meist noch bewusstseinsklar; nach längerer Zeit Herzrasen und Beeinträchtigung des Urteilsvermögens
32-28° Celsius Bewusstseinseintrübung, kein Muskelzittern mehr, Gefühl der Hitze
Unter 28° Celsius Bewusstlosigkeit, Atemstillstand

Die dargestellten Symptome stellen natürlich keine abschließende Liste dar, sollen euch aber als Anhaltspunkte für eine beginnende, oder schon eingetretene, Unterkühlung dienen. Bemerkt man eines oder mehrere dieser Symptome, heißt es, das Wasser schnellstmöglich zu verlassen und sich aufzuwärmen.

Weitere Gefahren:

Als wäre eine Unterkühlung nicht schon gefährlich genug, lauern beim Windsurfen im Winter leider noch weitere Gefahren, die zusammen mit einer Unterkühlung, aber auch unabhängig davon auftreten können.

Der Kälteschock

Während sich eine Unterkühlung relativ langsam entwickelt, ist der Kälteschock ein plötzlich auftretendes Phänomen bei schnellem Eintauchen in kaltes Wasser. Je größer der Temperaturunterschied zwischen Körpertemperatur und Wassertemperatur, desto wahrscheinlicher wird der Kälteschock. Vor allem wenn auch der Kopf plötzlich in kaltes Wasser getaucht wird, droht ein Kälteschock.

Schleuderstürze sind natürlich der perfekte Auslöser für ein plötzliches und unkontrolliertes Eintauchen in das kalte Wasser im Winter. Aber was ist daran so gefährlich?

Neben einer plötzlich erhöhten Herzfrequenz und möglichen Hyperventilation ist der sogenannte Ebbecke-Reflex die größte Gefahr. Wird dabei das Gesicht durch kaltes Wasser gereizt, kann es zu einem unkontrollierten und intensiven Einatem-Reflex kommen. Geschieht dies unter Wasser, atmet man Wasser in die Lunge, was zum Ertrinken führen kann.

Eine geringe Nutzzeit

Nutzzeit ist diejenige Zeit, in der man aktiv und kontrolliert zu seiner Rettung beitragen kann, sprich greifen, schwimmen, kontrolliert atmen etc. Überschreitet man diese Nutzzeit, werden kontrollierte Bewegungen kaum mehr möglich sein, bis man letztendlich komplett auf Hilfe von außen angewiesen ist.

Eine Faustformel geht davon aus, dass die Nutzzeit im kalten Wasser der Temperatur in Grad Celsius entspricht. Dies bedeutet, dass man in 3 Grad kaltem Wasser von einer Nutzzeit von um die 3 Minuten ausgehen kann. Natürlich lässt sich diese Nutzzeit mit entsprechenden Neopren- oder gar Trockenanzügen verlängern, jedoch nicht beliebig lange.

Sollte man also gezwungen sein, längere Strecken zu schwimmen, kann dies schnell zu einer Gefahr werden, da eine Unterkühlung droht und man sich irgendwann nicht mehr eigenständig retten kann.

Die Schutzmaßnahmen

Zu wissen, was einem drohen kann, ist schön und gut, aber relativ ineffektiv, wenn man sich nicht dagegen zu schützen weiß. Daher stelle ich hier einige Maßnahmen vor, mit denen ihr euch leicht und wirkungsvoll gegen die oben genannten Gefahren wappnen könnt. Sparfüchsen sei gesagt, dass fast alle Schutzmöglichkeiten überhaupt kein Geld kosten, jedoch entscheidend dazu beitragen können, dass eine Winter-Surf-Session nicht eure letzte war.

Eins muss jedoch noch gesagt werden: Es gibt keine 100%ige Sicherheit!!! Mit Beachtung aller Gegenmaßnahmen kann man zwar das Risiko deutlich minimieren, ein Restrisiko bleibt aber immer bestehen. Dem muss sich jeder Windsurfer bewusst sein, nicht nur beim Windsurfen im Winter.

Schätze dein Können richtig ein!

Einer der wichtigsten Grundsätze! Gehe niemals in Bedingungen surfen, die dein Können deutlich übersteigen. Ein Wintersturm mit entsprechend niedrigen Temperaturen ist nicht gerade die beste Gelegenheit, um mit dem Starkwindsurfen anzufangen. Wenn du nicht sicher und kontrolliert surfen kannst, hast du im Winter auf dem Wasser nichts verloren. Gelegenheiten besser zu werden, gibt es bei wärmeren Temperaturen immer noch…und irgendwann bist du dann auch für den nächsten Wintersturm bereit.

Hör auf deinen Körper!

Dein Körper ist der wichtigste Signalgeber, auf den du hören musst. Ist dir permanent kalt oder treten sogar schon erste Symptome einer beginnenden Unterkühlung auf, heißt es, die Session umgehend zu beenden. Sich einzureden, dass es schon noch geht, kann der schlimmste und vielleicht letzte Trugschluss eures Lebens sein.

Gib deinem Körper die Energiereserven, die er braucht!

Windsurfen ist anstrengend, doch Windsurfen im Winter ist richtig anstrengend! Der Körper muss nicht nur die nötige Energie bereitstellen, damit du surfen kannst, sondern auch, um die Körpertemperatur erhalten zu können. Darum gehe niemals durstig oder hungrig surfen und mache regelmäßige Ess- und Trinkpausen.

Bist du eh nicht zu 100% fit, kuriere dich lieber aus und warte auf den nächsten Sturm. Angeschlagen kann es sein, dass die Leistung des Körpers schlagartig absackt und du nicht mehr die nötige Kraft aufwenden kannst, um sicher zu surfen.

Surfe niemals alleine!

Gehe im Winter niemals alleine windsurfen. Bist du mit anderen Windsurfern auf dem Wasser, kann man leicht aufeinander achten. So kann im Notfall schnell Hilfe geleistet werden und selbst wenn man nicht direkt helfen kann, kann man schnell einen Notruf absetzen und so eine Rettung veranlassen.

Bist du jedoch alleine, bleibst du im schlimmsten Fall unbemerkt und ohne Hilfe.

Suche dir einen geeigneten Spot!

Spots, an denen du weit hinaussurfen musst oder die mit garstigen Bedingungen aufwarten, sind im Winter alles andere als optimal. Such dir nach Möglichkeit einen ruhigeren Ausweichspot mit Stehtiefe oder einen Spot, an dem die parallel zum Ufer fahren kannst. Dadurch kannst du im Fall des Falles schnell das rettende Ufer erreichen.

Hole dir die richtige Ausrüstung!

ION_FUSEDas einzige, was euch richtig Geld kosten kann, aber wer im Winter surfen will, kommt daran nicht vorbei: Gemeint sind entsprechende Neoprenanzüge, -handschuhe, -hauben und -schuhe. Während im Herbst wahrscheinlich ein dicker Semidry noch reicht, braucht man im Winter dringend einen Trockenanzug.

Dadurch dass Trockenanzüge, wie der Name schon sagt, kein Wasser an den Körper lassen, kühlt dieser deutlich langsamer aus. Die Möglichkeit, darunter auch noch Thermowäsche zu tragen, erhöht die Wärmeisolierung gleich ungemein. Zwar kosten gute Trockenanzüge ab 600€, den Luxus solltet ihr euch aber auf jeden Fall gönnen, wenn ihr im Winter surfen wollt.

Abschließend kann man also sagen, dass beim Windsurfen im Winter zwar zahlreiche Gefahren lauern, man diese aber mit vielen, teils wenig aufwändigen Maßnahmen gut reduzieren oder umgehen kann. Aber nochmals: Egal, wie gut ihr all diese Ratschläge befolgt oder wie dick ihr euch einpackt….ein Restrisiko bleibt immer bestehen.

Die Gefahren und Gegenmaßnahmen haben wir sorgfältig recherchiert und mit eigenem Wissen ergänzt, eine Garantie auf Vollständigkeit und Richtigkeit gibt es jedoch nicht. Letztendlich seid ihr immer selbst für euer Leben verantwortlich.