Vor fast genau drei Jahren ging ich den Via Ferrata Che Guevara zum ersten Mal. Ich weiß noch, wie ich zusammen mit Markus vor dieser schier endlosen Wand stand und ungläubig Richtung Gipfel blickte.
Der Klettersteig war lang – sehr lang – aber jeder einzelne Höhenmeter machte richtig Laune. Als man dann – nach stundenlanger Kletterei – wieder am Fuße des Monte Casale stand und den Berg hinaufschaute den soeben man bestiegen hatte, wurde das Glücksgefühl noch einmal ein Stück größer.
Nach drei Jahren war es mal wieder so weit, den Via Ferrata Che Guevara erneut zu bezwingen. Begleitung war schnell gefunden: Mein Mentor und Kollege – in seiner Freizeit auch ein richtiger Bergfex – war von der Idee sofort begeistert und wir planten unsere Tour. Nachdem ich den Via Ferrata Che Guevara schon kannte, wollte ich Einiges besser machen als das letzte Mal. Das „Einiges“ bezog sich vor allem (oder besser gesagt eigentlich nur) auf den endlos langen Abstieg des Via Ferrata Che Guevara, den wir uns unbedingt ersparen oder zumindest erleichtern wollten.
Schon 2012 stieß ich bei unserer Recherche auf die Möglichkeit von der Westseite den Monte Casale über eine Mautstraße zu befahren und Mountainbikes beinahe auf Gipfelhöhe abzustellen. Dies würde den Abstieg deutlich verkürzen und vereinfachen. 2012 scheiterte dieses Unterfangen an unserer Ausrüstung, doch nun wollten wir dies unbedingt so machen.
Nach der Arbeit ging es ohne Umwege Richtung Gardasee. Am Campingplatz angekommen, schnallten wir unsere Mountainbikes aufs Auto und fuhren Richtung Monte Casale. Über Sarche ging es nach Comano und nachdem wir in einer kleinen Herberge unsere Mautgebühr beglichen hatten, fuhren wir die Mautstraße Meter für Meter nach oben. Irgendwann wurde aus Teer loser Schotter, die Straße immer schmäler und auch unser Navi hatte schon lange aufgegeben uns zurück in die Zivilisation zu führen.
Doch wir arbeiteten uns unbeirrt und stetig nach oben. Klingt weiter nicht verwunderlich, doch unser weisser BMW 335 mit Niederquerschnittsreifen erntete auf den Weg nach oben einige ungläubige Blicke. Kurz vor dem Parkplatz auf über 1400 Metern kam uns ein Italiener entgegen, der nur ungläubig die Hände über den Kopf zusammenschlug und uns mit einem „BISSÄ DU VERUUUKT?!?!“ willkommen hieß.
Wir versteckten unsere Mountainbikes im Wald, sperrten sie mit allem ab was uns zur Verfügung stand, nahmen sogar die Sättel ab und machten uns wieder auf den Weg nach unten. Nachdem dieser Teil des Plans schon einmal ein voller Erfolg war, gönnten wir uns einen entspannten Abend und freuten uns auf den Via Ferrata Che Guevara am nächsten Tag.
Am nächsten Morgen machten wir uns, bepackt mit literweise Wasser, etwas Proviant und den Fahrradsätteln im Rucksack auf den Weg. Angekommen am Parkplatz blickte ich einmal mehr auf den 1600 Meter hohen Monte Casale und seine Felswand, die es nun zu bezwingen galt.
Nach einem kurzen aber knackigen Zustieg ging der Via Ferrata Che Guevara auf 400 Höhenmeter los. Obwohl wir schon über 200 Höhenmeter hinter uns gebracht hatten, standen noch immer 1200 Höhenmeter Kletterei vor uns.
Ohne lange zu trödeln ging es los. Je höher wir stiegen, desto leiser wurden die Alltagsgeräusche und desto beeindruckender die Aussicht. Richtung Norden blickten wir auf den Lago die Toblino, im Süden auf den Lago di Cavedine und dazwischen erstreckte sich ein weites Tal voller Obst- und Weinhaine.
Allzu viel Zeit die Aussicht zu genießen blieb uns leider nicht, denn obwohl wir stetig nach oben stiegen, schien der Gipfel kaum näher zu kommen. Doch irgendwann wurden aus 800 Höhenmetern 1000 und aus 1000 Höhenmetern wurden 1200. Obwohl die Beine schwer wurden, stiegen wir immer höher und nach den Kletterpassagen folgte ein schattiges Waldstück mit zahlreichen Kurven und Biegungen.
Nach jeder Kurve vermuteten wir das Ende, doch der Via Ferrata Che Guevara schien nicht enden zu wollen. Ich hatte das oberste ausgesetzte Waldstück kürzer in Erinnerung und so ließ die Motivation irgendwann ziemlich nach. Doch irgendwann war es geschafft und wir standen auf dem Plateau des Monte Casale.
Nach diesem Erfolgserlebnis den Via Ferrata Che Guevara einmal mehr bezwungen zu haben und einer kurzen Erfrischung im Rifugio Don Zio machten wir uns auf den Weg zu unseren Mountainbikes. Nach nicht einmal zwanzig Minuten hatten wir diese erreicht und einer schnellen Abfahrt stand nichts im Wege.
Während ich als Stadtradler vergleichsweise verhalten den Schotterweg hinabbretterte, fuhr mir mein Spezl ohne Rücksicht auf Verluste davon. Während meiner einsamen Abfahrt hielt ich die Augen offen, um mögliche Überreste von ihm rechts und links der Spur ja nicht zu übersehen, doch gemäß dem bayrischen Sprichwort „Wer ko der ko!“, wartete er in dem kleinen Örtchen Comano schon ungeduldig auf mich.
Ab dort hatten wir zwei Möglichkeiten für die weitere Abfahrt: Entweder an der vielbefahreren Straße entlang, die laut Karte permanent bergab führt oder über den vielversprechenden „Passo dell Morte“, an dem noch zweihundert Höhenmeter zu bewältigen wären.
Optimistisch entschieden wir uns für die zweite Variante, mussten jedoch schnell einsehen, dass wir nach über 1600 zurückgelegten Höhenmetern gegen den „Passo dell Morte“ keine Chance mehr hatten.
Also drehten wir um und folgten der Straße, ehe wir mit Schrecken feststellen mussten, dass diese entgegen aller Versprechungen teilweise auch bergauf führte. Fluchend strampelten wir tapfer weiter und waren nach etwas mehr als einer Stunde zurück am Auto. Somit konnten wir uns über zwei Stunden Abstieg sparen.
Am Fuße des Monte Casala blickten wir noch einmal auf den Berg den wir dank des Via Ferrata Che Guevara bezwungen hatten, ehe wir ein halbes Rind grillten und den Abend entspannt ausklingen ließen.
Als es am nächsten Morgen wieder zurück nach Bayern ging, erlebten wir am Brenner die nächste Überraschung: Beinahe zwanzig Zentimeter Neuschnee machten die Heimfahrt zwar zu einem Erlebnis, doch leider auch zu einem ziemlich langen Unterfangen. Teilweise kilometerweit standen die LKWs Stoßstange an Stoßstange und auch wir standen öfters mal im Stau.
Auf dem Brenner dann Japanerinnen in sommerlichen Kleidern und Flip-Flops zu sehen, die vor lauter Selfies den Verkehr auf einer Raststation aufhielten, war ein weiterer kurioser Höhepunkt unserer Tour.
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