Auf der Windinfo.eu habe ich euch Brandner und Kneißl schon genauer vorgestellt. Unter diesem Label interpretiert Michael Thalhammer die „Hirschlederne“ neu: Der lässige Sitz wie bei einer Boardshorts, einzigartige Brandings am Hosenbein und hochwertiges mitteleuropäisches Hirschleder aus dem Alpenraum sind die Basis für den von ihm kreierten bayerischen Surfstyle. Ich habe mich mit Michi ausführlich über seine Motivation, seine Ansichten und seine Liebe zum Meer unterhalten. Das Interview mit dem sympathischen Mode-Rebell lest ihr hier!
Tobi: Brandner und Kneißl…da hast du ja zwei der bekanntesten Figuren Bayerns, den Brandner Kasper und den Räuber Kneißl, miteinander vereint. Findest du dich in den Beiden wieder oder was hat dich dazu bewogen als Brandner und Kneißl eigene Hirschlederne zu designen?
Michi: Für mich stellen der Brandner Kasper und der Räuber Kneißl die bayerischen Rebellen schlechthin dar. Und so sehe ich mich in gewisser Weise auch: als bayerischer Mode-Rebell…oder Lederhosen-Rebell um genau zu sein. Es mag zwar etwas hochtrabend klingen, dass ich mich mit den Beiden in eine Reihe stelle aber doch irgendwie passend, oder?
Tobi: Auf jeden Fall! War also dieses rebellische Mode-Rebell so wie du dich genannt hast, schon immer in dir drin? Bayerisches Lebensgefühl auf der einen und Suche nach etwas Neuem, Aufregendem auf der anderen Seite?
Michi: Dieses Rebelltum, egal ob bei Mode, Musik oder der Lebenseinstellung, trage ich schon mindestens seit der Pubertät in mir. Ich bin schon immer gegen den Strom geschwommen, wie man so schön sagt. Natürlich mag ich Bayern und wohne auch gerne hier. Meine Familie ist seit Generationen im Oberland daheim. Aber mir ist hier einfach doch Vieles zu klein und zu engstirning und meiner Meinung, dass man mit offenem Blick ein viel lässigeres Leben führen kann, habe ich mit Aloha Bavaria Ausdruck verliehen. Damit drücke ich aus, dass Bayern echt geil ist, aber es einfach auch Fleckchen gibt, die noch ein bisschen schöner sind. Einfach weil sie vielleicht direkt am Meer liegen und die Wellen an den Strand schwappen.
Tobi: Merkst du diese bayerische Engstirnigkeit auch mal bei Kunden oder bei Feedback zu deinen Marken?
Michi: Meine Hirschledernen sind so speziell, dass sich Kunden schon im Vorfeld intensiv damit befassen. Sie recherchieren, lesen Interviews wie dieses hier oder schauen auf meinen Youtube-Kanal. Wer also mit meiner Einstellung, die ich auch sehr offen auf meinen Webseiten zeige, oder meinen Produkten nicht klar kommt, der kommt im Normalfall gar nicht zu mir. Aber natürlich gibt es dann auch solche, die sich an Kleinigkeiten stören. Meine Produkte sind ja als Maßkonfektion darauf ausgelegt dem Kunden ein individuelles Produkt anbieten zu können, aber sagen wir mal so: Ich bleibe dennoch meiner Linie treu und achte beharrlich darauf, dass der Kern meiner Produkte erhalten bleibt. Ich steh zu dem was ich fühle und mache, egal ob mit Brandner und Kneißl, Aloha Bavaria oder auch der Musik!
Tobi: Das ist eine sehr gute Überleitung. Mit der Musik und dem Surfen hast du ja zwei sicherlich sehr emotionale Einflüsse, die dich und deine Arbeit vermutlich sehr prägen. Wie spielen die Musik und das Surfen in deine Arbeit hinein?
Michi: Mit dem Surfen habe ich nie wirkliche Ambitionen verbunden. Es ist für mich Hobby und Meditation gleichermaßen. Mir geht es dabei mehr um die Zeit im Wasser, als auf einer Welle. Klar, welcher Surfer erwischt nicht gerne eine Wahnsinnswelle?! Aber die Zeit im Wasser, alleine und allumfassend von der Natur umgeben zu sein, ist für mich der eigentliche Reiz dahinter. Für mich ist das Meer die Perfektion des Unendlichen. Das gibt mir wahnsinnig viel! Und natürlich spielt das auch stark in meine Arbeit hinein. Aloha Bavaria würde es ohne das Surfen gar nicht geben. Ohne das Surfen gäbe es auch den Schnitt der Lederhosen nicht, der sehr an eine Boardshort angelehnt ist. Und so ist auch das Surfen und der Flair der damit einhergeht auch ein wichtiger Bestandteil von Brandner und Kneißl und Aloha Bavaria. Etwas anders ist es bei der Musik: Die Musik war ja mehr als ein Hobby, sondern auch für einige Zeit mein Beruf. Musik wird angemacht sobald ich den Laden betrete und läuft bis ich abends absperre. Aber die Musik spielt vor allem in mir drinnen eine große Rolle. Michi ohne Musik gibt es nicht! Ich glaube also, dass der offensichtliche Einfluss auf Brandner und Kneißl eher vom Surfen kommt und die Musik eher den Spirit des Ladens beeinflusst, einfach weil dort die Musik läuft, die mich bewegt und begeistert.
Tobi: Du meintest gerade, dass es für dich beim Surfen nie um Ambitionen ging, sondern für dich die Zeit im Wasser im Mittelpunkt steht. Also quasi nach dem Motto „Der beste Surfer ist der, der den meisten Spaß hat!“? Glaubst du, dass viele vergessen haben worum es beim Surfen eigentlich geht und der Fokus mittlerweile mehr darauf liegt, Bilder für Instagram und Co. zu generieren?
Michi: Ja es ist mittlerweile schon so, dass es viel um Sehen und Gesehen werden geht. Aber darum geht es mir eben überhaupt nicht. Ich will weder eine Materialschlacht, darum war Windsurfen und Kitesurfen auch nichts für mich (lacht). Noch geht es mir darum, mit dem Surfen von mir ein gewisses Bild zu kreieren. Ich habe mit dem Surfen begonnen, weil der Ozean für mich etwas Magisches ist. Als ich drei Jahre alt war, war ich mit meiner Familie an der Adria. Damals waren die Strände noch nicht durchgängig mit Molen verbaut und so kamen auch noch richtige Wellen an den Strand. Dort hab ich das erste Mal Wellen gesehen die verdammt hoch waren. Sicherlich war es alles halb so wild, aber als kleiner Stöpsel von drei Jahren waren die in meiner Erinnerung drei bis vier Meter hoch. Und diese Wucht und Energie hat mich völlig fasziniert und in seinen Bann gezogen. Seit dem hat mich diese Leidenschaft für dieses bewegte Wasser nicht mehr losgelassen. Nach einigen Jahren, in denen mir klar wurde, dass ich mit dieser Leidenschaft etwas anfangen muss, bin ich dann zum Surfen gekommen. Natürlich stehe ich auch gerne eine Welle und habe Spaß dabei. Aber in erster Linie geht es mir um die Zeit mit mir und diesem riesigen Ozean. Für mich ist das magisch und alleine beim Gedanken daran kriege ich gleich Gänsehaut. Und das hat vielleicht der ein oder andere tatsächlich vergessen oder auch in der Form noch nie gespürt.
Tobi: So wie du deine Geschichte und deine Verbindung zum Meer beschreibst, kommt das meinen eigenen Empfindungen sehr nahe. Wirst du dann also auch regelrecht unleidig und unausstehlich, wenn du mal zu lange nicht am Meer warst? Nicht nur um Surfen zu gehen, sondern auch um diese Ruhe, die ein Ozean ausstrahlen kann, in sich aufzusaugen?
Michi: Ja auf jeden Fall! Nicht nur grantig und unleidig, sondern vielleicht sogar in Richtung einer leicht depressiven Stimmung. Ich bin ein bekennender Winterhasser, es gibt für mich keine ekeligere und ätzendere Jahreszeit. Winter würde mir auch an Heiligabend von 12 Uhr Mittags bis abends um Acht reichen (lacht). Ein langer Winter ohne Meer kann mich also so richtig runterziehen. Ich brauch einfach das Meer und die Sonne, das ist fast wie eine Sucht. Corona hat das Ganze ja nicht gerade leichter gemacht. Ich war nun fast zwei Jahre nicht mehr am Atlantik, der mir so wahnsinnig viel bedeutet. Für mich ist der Atlantik das Meer schlechthin, meine Lebensader! So facettenreich ist für mich kein anderer Ozean. Wild, kalt, ungestüm und dennoch wunderschön in Portugal und Frankreich, sehr rough aber sympathisch an der Ostküste der USA oder sogar in Richtung Karibik, wo sich der Atlantik in eine Badewanne verwandelt. Und das alles für beinahe zwei Jahre nicht mehr erlebt und gespürt zu haben, geht mir richtig auf die Nerven. Immerhin war ich dieses Jahr schon am Meer, auch wenn es „nur“ das Mittelmeer war. Aber endlich wieder Salz an den Lippen zu schmecken war einfach traumhaft.
Tobi: Wenn du von diesen meditativen Momenten im Meer sprichst, gibt es da für dich einen Moment, eine Erinnerung die besonders hervorsticht?
Michi: Für mich ist jeder Moment im Wasser Meditation. Aber einen besonderen Moment gibt es tatsächlich. Vor fünf oder sechs Jahren waren wir im Norden Floridas. Ich war im Wasser und es lag eine leichte Gewitterstimmung in der Luft. Das Gewitter selber war noch meilenweit entfernt, aber die Luft und das Licht waren schon regelrecht elektrisiert. Ich lag dort relativ alleine im Wasser, denn den Locals waren die Wellen zu chaotisch. Ich lag dann dort und habe diese ganze Stimmung in mich aufgesogen, als auf einmal 30, 40 Meter vor mir eine Rückenflosse durch die Wasseroberfläche gestochen ist. Einen Wimpernschlag lang habe ich dann richtige Panik bekommen, ehe ich realisiert habe, dass das Delfine waren. Nach und nach sind noch zwei Rückenflossen aufgetaucht. Umgeben von einer echt magischen Stimmung hab ich mir mit den Delfinen ihren Lebensraum teilen dürfen. Einfach geil!
Tobi: Wenn du über das Surfen sprichst, merkt man diese Leidenschaft und den Einfluss auf Aloha Bavaria den du vorhin angesprochen hattest. Wie hängen den Aloha Bavaria und Brandner und Kneißl denn genau zusammen?
Michi: Brandner und Kneißl ist so gesehen das Fundament. Es ist der Name meines Ladens und die Marke meiner Lederhosen und entstand knapp ein Jahr vor Aloha Bavaria. Aus Brandner und Kneißl und dem Bestreben diesem von mir kreiertem bayerischen Surfstyle Ausdruck zu verleihen, entstand dann Aloha Bavaria.
Tobi: Brandner und Kneißl ist jetzt 6 Jahre alt, Aloha Bavaria gerade einmal 5. Hat dich der Erfolg deiner Marken selber überrascht?
Michi: Ich höre sehr stark auf mein Herz und meinen Bauch. Und mein Bauch hat mir gesagt, dass das funktioniert. Also war und bin ich selber sehr davon überzeugt. Dass es jedoch so gut funktioniert, hätte ich tatsächlich nicht erwartet. Das sich so schnell so viele Menschen für meine Produkte interessieren, hat mich echt umgehauen. Das freut mich unfassbar! Wie gesagt, ich war überzeugt davon, dass ich sicherlich nicht der Einzige bin, der eine Lederhosen so interpretiert, wie ich es tue. Oder dass es noch mehr Leute gibt, die Bayern auch mehr in Richtung Strand und Meer interpretieren. Dass dem wirklich so ist, ist echt der Wahnsinn!
Tobi: Denkst du, dass Aloha Bavaria Brandner und Kneißl noch einmal einen Schub gegeben hat? Haben manche Menschen dadurch vielleicht realisiert, wie lässig Bayern eigentlich sein kann?
Michi: So wichtig nehme ich mich ganz sicher nicht, aber natürlich wäre das sehr schön, wenn dem so ist! Aloha Bavaria ist ja für mich deutlich mehr, als nur die Marke. Es ist für mich auch ein politisches Statement! Brandner und Kneißl und dann im Folgejahr auch Aloha Bavaria sind 2015 in einer Zeit entstanden, in der ganz Deutschland über eine sogenannte Flüchtlingskrise geredet hat. Ich habe es zum einen nie als Krise empfunden und zum anderen ist es für mich selbstverständlich, dass man Menschen hilft, denen es richtig dreckig geht. Aloha Bavaria ist also für mich also auch ein Ausdruck von Menschlichkeit und Toleranz. Auf hawaiianisch heißt Aloha ja quasi „Servus, griaß di“ und mit Aloha Bavaria will ich einfach nur „Herzlich willkommen in Bayern“ sagen.
Tobi: Das ist eine echt starke Aussage. Die ganze Pandemie jetzt hat ja in meinen Augen auch gezeigt, wie egoistisch der Mensch sein kann. Das mag jetzt zwar wieder etwas hochtrabend klingen, aber würde deiner Meinung nach der Welt etwas mehr „Aloha Bavaria“ ganz gut tun?
Michi: Ja, du hast vollkommen recht. Die Pandemie hat diesen um sich greifenden Egoismus noch einmal sichtbarer gemacht. Manchmal muss man sicherlich auch mal ein Stück weit egoistisch sein, um selber voran zu kommen, aber doch nicht auf Kosten Anderer?! Nicht nur auf die Pandemie bezogen, finde ich einige Entwicklungen in Europa echt erschreckend. Man muss ja nur mal nach Ungarn, Polen oder die Türkei schauen. Mir fehlt einfach wahnsinnig viel Menschlichkeit in dieser Welt. Für mich gibt es keine Amis, keine Bayern, keine Eriträer, sondern in erster Linie einfach Menschen! Menschen, die ich kennenlernen möchte. Und das war auch der Wesenszug vieler Bayern in meiner Jugend, den ich so schätzen gelernt habe. Eben einfach mal zu sagen „Ja wo kommst jetzt du her? Hock dich mal her und erzähl mal!“. Dieses Interesse an den Menschen und ihren Geschichten finde ich total geil! Aber leider hat sich Bayern in den letzten Jahren ziemlich gewandelt und fast schon abgeschottet. Das tut mir echt in der Seele weh, denn meiner Meinung nach müssen wir wieder mehr in Richtung Aloha Bavaria gehen, eben dieses Willkommen heißen! Also ja, vielleicht hast du recht. Vielleicht würde der Welt etwas mehr „Aloha Bavaria“ ganz gut tun.
Tobi: Aktuell gehen ja die Fallzahlen erfreulicherweise wieder massiv nach unten und das Leben kehrt etwas zurück. Wirst du das für dich auch ausnutzen, um endlich wieder ans Meer zu kommen?
Michi: Ende August geht es nach Sardinien. Da freu ich mich schon riesig drauf. Und auch wenn es „nur“ das Mittelmeer ist, aber ich kann es kaum erwarten wieder möglichst viel Zeit im Wasser zu verbringen. Und ich hoffe, dass wir spätestens nächstes Jahr Corona so weit wie möglich überwunden haben und dann fliege ich wieder an meinen geliebten Atlantik.
Tobi: Dafür drücke ich dir auf jeden Fall die Daumen und wünsche dir viel Spaß im Wasser!
Wer Michi und seine Marken Brandner und Kneißl und Aloha Bavaria selber kennen lernen möchte, schaut am Besten in seinem Ladengeschäft in Sauerlach vorbei. Überzeugt euch dort selber von der Qualität seiner Hosen, lernt Michi und seinen Spirit kennen und genießt ein eiskaltes Bier.
Ich hab mir natürlich auch eine lässige Hirschlederne von Michi machen lassen und werde im nächsten Artikel ausführlich über mein eigenes Unikat berichten. Seid gespannt!