Treue Leser wissen: Die Karwendel-Region ist in meinen Augen eine der schönsten Ecken in ganz Europa. Als das sommerliche Wetter auch ausgedehnte Touren erlaubte, stand eine Tour ganz oben auf meiner Liste: Von der Bettlerkarspitze über einen spektakulären Grat zur Schaufelspitze…garantiert nichts für Leute mit Höhenangst oder unsicherem Tritt!
Mitte Juni so weit: Perfektes Kaiserwetter kündigte sich an und ich wollte die einzigartige Natur des Karwendels tief in mich einsaugen. Da ich die traumhafte Morgensonne ausnutzen wollte, ging es schon des Nächtens in Richtung Karwendel. In völiger Dunkelheit fuhr ich am Sylvensteinsee vorbei und musste einige Male für Rehe, Füchse und Dachse abbremsen.
Am Sylvenstein vorbei ging es nun weiter in Richtung Hinterriß in Österreich. Um drei Uhr in der Früh waren wir natürlich mutterseelenalleine, ideal also in Corona-Zeiten, und die Silhouetten der Karwendelgipfel zeichneten sich in der zwarten Morgendämmerung vor dem Sternenhimmel ab. Am Parkplatz angekommen war außer dem Rauschen des Rißbaches und dem ersten Vogelgezwitschere nichts zu hören.
Ausgestattet mit ausreichend Proviant, Trinken, ausgezeichneter Ausrüstung und natürlich einer Stirnlampe ging es um kurz vor halb vier in der Früh in Richtung Bettlerkarspitze los.
Vom Parkplatz zur Bettlerkarspitze
Kalte Luft zog vom Rißbach in meine Richtung und wir folgten unbeirrt dem Lichtkegel unserer Stirnlampen. Mittlerweile dämmerte es und ich freute mich auf die Morgensonne an meinem ersten Zwischenziel: der Bettlerkarspitze!
Zu Beginn verlief die Wanderung moderat und sehr entspannt über kleine Trampelpfade und kleine Wälder. Mit den Karwendelgipfeln im Rücken stiegen wir immer höher und wurden in der Früh mit einem gigantischen Alpenglühen belohnt. Während wir den Westhang entlang wanderten, strahlte die aufgehende Morgen Sonne die Gipfel hinter uns an und sorgte für eine grandiose Stimmung. Zeit also für eine kurze Pause und einen Versuch, diese Stimmung auf Foto zu bannen.
Nach einiger Zeit lichtete sich der Wald und nach knapp 2 Stunden erreichten wir die Plumsjochhütte. In der Ferne erblickten uns Gämse und zogen sich vorsichtshalber weiter zurück, während wir ihnen, den Wanderweg zur Bettlerkarspitze folgend, langsam näher kamen. Die Steigung nahm nun deutlich zu und der Geröllhang vor uns, den es zu überwinden galt, war der erste Vorbote der alpinen Kletterei.
Mittlerweile stand die Sonne hoch genug, beziehungsweise waren wir hoch genug geklettert, dass uns die wärmenden Sonnenstrahlen erreichten. Dies wäre aber gar nicht nötig gewesen, trieb uns der Geröllhang schon so die Schweißtropfen auf die Stirn.
Nachdem wir den Geröllhang hinter uns gelassen hatten und auf dem Vorgipfel der Bettlerkarspitze standen, erblickten wir zum ersten Mal den Gipfelaufbau der Bettlerkarspitze vor uns. Schroff und abweisend aber gleichzeitig atemberaubend lag der Gipfel vor uns. Nun hieß es sich gut zu orientieren und zu konzentrieren, um den Gipfel sicher erklimmen zu können. Die Markierung in Richtung Gipfel war mehr schlecht als recht und meine GPS-Uhr war auf diesen Metern goldwert um nicht vom Weg, bzw. der Bergsteigerroute abzukommen.
Es versteht sich von selbst, dass derartige Touren mit Kletterpassagen im III. Grad ohne Sicherung die nötige Ausrüstung, das entsprechende Können und eine angebrachte Vorsicht erfordern. Wir bahnten uns den Weg über den bröseligen Karwendelschroff. Die letzten Schneefelder des vergangenen Winters hielten sich auf einem kleinen Plateu hartnäckig und erlaubten nochmal einen grandiosen Ausblick, ehe schon bald darauf der Gipfel winkte.
Von der Bettlerkarspitze zur Schaufelspitze
Am Gipfel der Bettlerkarspitze stehend, wird der weitere Verlauf zur Schaufelspitze schnell deutlich: Zu erst muss man den Gipfelaufbau der Bettlerkarspitze wieder hinabkraxeln, ehe man entlang eines Grates in Richtung Schaufelspitze laufen kann. In der Mitte des Grates befindet sich ein zu überwindendes Hindernis, in meinen Augen auf jeden Fall die Schlüsselstelle der Tour. Am Ende des Grates geht es dann noch den Gipfelaufbau zur Schaufelspitze hoch.
Der Grat fällt auf beiden Seiten steil und tief ab und wer zu diesem Zeitpunkt ein mulmiges Gefühl bekommt und sich nach der Besteigung der Bettlerkarspitze unsicher fühlt, sollte an dieser Stelle lieber umdrehen. Nach dem Erreichen der Bettlerkarspitze ist dies alles andere als eine Schande.
Den Gipfelaufbau der Bettlerkarspitze wieder hinabzusteigen, beziehungsweise zu kraxeln, ist die erste große Herausforderung, wenn man die Rundtour an dieser Stelle fortsetzt. Der lose und bröselige Karwendel-Schroff und die kleinen Tritte, erfordern ein hohes Maß an Trittsicherheit und ruhigem Vorgehen. Am Fuß des Gipfelaufbaus der Bettlerkarspitze angekommen, steht man direkt am Beginn des Grates in Richtung Schaufelspitze. Die Hände haben nun erst einmal Pause und man kann dem Grat, trittsicher und vorsichtig, folgen.
Nun wird man einmal mehr mit gigantischen Aussichten in alle Richtungen belohnt: Im Rücken die Bettlerkarspitze, links und rechts die steil abfallenden Gratflanken und vor einem die Schaufelspitze. Und das alles eingerahmt in ein wunderschönes Karwendelpanorama.
Noch ehe man sich an der Aussicht sattgesehen hat, wird einem der weitere Weg durch ein Felshindernis, mitten auf em Grat versperrt. Dieses kann man entweder seitlich oder vertikal umklettern, stellt aber für mich definitiv die Schlüsselstelle der Tour dar: An beiden Seiten fällt der Grat weiterhin steil ab und die Kraxelei gerät zur absoluten Willensfrage, da Sicherungsmöglichkeiten de facto nicht vorhanden sind. Gutes Können ist natürlich die Voraussetzung aber am Ende ist vor allem eine stabile Psyche nötig, um das Hindernis sicher zu überwinden.
Hat man dies geschafft, breitet sich die Schaufelspitze direkt vor einem aus. Der Gipfelaufbau der Schaufelspitze ist in der Beschaffenheit und vom Charakter her nicht mit der Bettlerkarspitze zu vergleichen, aber immerhin ist der Weg in Richtung Gipfel eindeutiger und leichter zu finden, als beim ersten Gipfel.
Endlich am Gipfel angekommen, müsst ihr euch auf jeden Fall umdrehen. Nun seht ihr die gesamte Tour und all die Strapazen die hinter euch liegen, noch einmal vor euch. Genießt es, vor allem weil ihr ziemlich sicher alleine sein werdet!
Von der Schaufelspitze zurück zum Parkplatz
Die perfekte Tour gibt es vermutlich nicht und der Teil der nun kommt, raubt auch dieser Tour die entsprechende Wertung: Durch ein loses Schotterfeld und einen dichten Latschenkieferwald muss man nun von der Schaufelspitze absteigen.
Der Weg ist durch Steinmännchen grob gekennzeichnet aber immer wieder haben fehlende Männchen, die vermutlich durch Witterung oder Erosion zerfallen sind, dafür gesorgt, dass ich vom Weg abgekommen bin. So musste ich mich mehr als einmal durch dichte, harz- und pollenbedeckte Latschenkiefern kämpfen, ehe sich das Schotterfeld öffnete und aus dem Kampf eine gemütliche Wanderung wurde.
Hat man dies geschafft, steht man kurze Zeit später schon wieder am Parkplatz und sieht von dem, was man heute auf sich genommen hat, kaum mehr etwas!
Alle Bilder dieses genialen Tages findet ihr in unserer Galerie. Auf Bergtour-Online gibt es zudem noch eine Routenbeschreibung mit GPS-Track zum Herunterladen.