Schottland Roadtrip Teil III: Der Weg ist das Ziel

Was für ein Schlamassel! Ich saß in Glencoe fest und Tiree war für den Moment aufgrund unfahrbarer (Fähr)-Bedingungen unerreichbar. Meine Laune war am Tiefpunkt und ich war kurz davor frustriert das Handtuch zu werfen. (Den Anfang verpasst? Hier findet ihr Teil I und Teil II)

Doch sollte ich mich tatsächlich so schnell geschlagen geben? Nein, das war nicht meine Art und so entschloss ich mich, das Ruder wieder in die Hand zu nehmen und endlich zu reagieren, anstatt immer nur auf schlechte Nachrichten Trübsal zu blasen.

Für die kommenden Tage versprach der selbe gigantische Sturm, der eine Überfahrt nach Tiree unmöglich machte, epische Surfbedingungen auf der Kintyre-Halbinsel. Zwar lag diese wieder 180 Kilometer südwestlich meines derzeitigen Aufenthaltortes, aber ich war ja schließlich zum Surfen nach Schottland gekommen. Und wenn ich schon nicht nach Tiree kann, dann wenigstens an den besten Spot des schottischen Festlandes. Ganz in der Früh des nächsten Tages machte ich mich also auf den Weg nach Kintyre und den Strand von Machrihanish.

Mit einem Ziel und einer Surfsession vor Augen besserte sich meine Laune mit jedem Kilometer wieder und diesmal tat auch der strömende Regen meiner Laune keinen Abbruch. Schon zu Beginn der Kintyre-Halbinsel rollte eine große, geordnete Dünung die Küste entlang und mittlerweile hatte es sogar aufgehört zu regnen. Da es Wochenende war, der Spot als der beste Festlandspot Schottlands angepriesen wurde und die Forecast monströs aussah, erwartete ich eine entsprechende Horde an Surfern am Spot anzutreffen.

Doch ich lag falsch! Der Strand lag verlassen vor mir, während die Wellen an den Strand donnerten und eine tiefhängende schwarze Wolke legte sich über den Strand. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ganz alleine an einem Spot, den man nicht kennt, ist nicht gerade die beste Idee. Doch nun war ich schon einmal da und eine ausführliche Besichtigung des Spots zeigte nur ein Riff in Lee. Zeit also Surfen zu gehen!

Gerade als ich meine Boards und Segel vom Dach meines Buses holte, bogen drei weitere Busse auf den bis dahin menschenleeren Parkplatz. Buse mit Surfbrettern auf dem Dach! Endlich, nicht mehr alleine! Überschwänglich begrüßte ich die vermeintlichen Locals und stellte schnell fest: Das waren Holländer, die das selbe Schicksal mit der Fähre teilten wie ich. In dem Wissen nicht ganz alleine zu sein, baute ich deutlich motivierter auf und stürzte mich nach langer Zeit endlich wieder in die Fluten.

Doch was war nun los? Wo war der gigantische Sturm, der vorhergesagt war? Eher leidlich kämpfte ich mich durch die Wellen, die ebenfalls in der Größe noch überschaubar waren. Sollte in diesen Urlaub wohl gar nichts funktionieren?

Frustriert wartete ich eine zeitlang, ehe sich die Bedingungen zusehends verbesserten. Der Wind nahm deutlich zu, so dass ich genug Druck in meinem 4.8er-Segel hatte und auch die Wellen bauten sich kontinuierlich auf. In schönen Sets rollten sie geordnet in die Bucht und teilweise erwischte ich die schönen 2.5 bis 3 Meter Nuggets. Auch die Holländer stürzten sich nun in die Wellen und den Spot und die Session mit Gleichgesinnten zu teilen, war Balsam für meine Seele.

Selbst Platzregen konnte meiner Laune nichts mehr anhaben und das überraschend warme Wasser des Golfstromes war das Tüpfelchen auf dem i. Diese Session war genial, so dass ich kaum mehr weg wollte. Dennoch machte ich zwischendrin immer wieder Pause, um mich nach meiner Fähre für den morgigen Tag zu erkundigen, wurde aber von der Reederei immer wieder vertröstet. Gerade als ich mich entschlossen hatte, die Fähre für den kommenden Tag zu stornieren und die Bedingungen hier noch ein bisschen auszukosten, bekam ich eine neue Mail: meine Fähre für den morgigen Tag wurde storniert.

Zwar passte dies nun in meine Pläne, aber die Fähre für übermorgen war bereits wieder ausgebucht. Früheste Abfahrt: in drei Tagen. Trotz der Session war meine Laune – mal wieder – an einem Tiefpunkt. Mehr als eine Woche hätte ich dann bis zur neuen geplanten Abfahrt schon in Schottland verbracht, ohne an meinem Ziel anzukommen. Konnte dies wirklich sein?

Zum Glück war ich nach drei Stunden auf dem Wasser viel zu müde, um mich aufzuregen und das gemeinsame Abendessen mit den Holländern lenkte mich ab. Dass der Wolkenhimmel am Horizont aufriss und die Bucht zum Sonnenuntergang in goldenes Licht getaucht wurde, entschädigte wenigstens ein bisschen für die erneuten Sorgen.

Für den nächsten Tag waren noch fettere Bedingungen vorhergesagt und so schlief ich irgendwann doch entspannt und glücklich direkt am Parkplatz ein. Nachts meldete sich das zahlreiche Bier des Abends und als ich den Bus verließ um dem Ruf der Natur zu folgen, verschlug mir ein sternenklarer Himmel den Atem. Kein künstliches Licht verschmutzte die Aussicht auf die Milchstraße. Noch nie hatte ich so viele Sterne gesehen.

Geplättet schlief ich wieder ein und erwachte am nächsten Tag bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. Die grünen Dünen bildeten einen krassen Kontrast zum tiefblauen Wasser und noch immer liefen wunderschön geordnete Wellen in die Bucht. Perfekte Surfbedingungen! Ja, perfekt, hätte sich nicht der Wind entgegen aller Vorhersagen komplett verabschiedet. Während der Strand zunehmend von Einheimischen in Beschlag genommen wurde, die das schöne Wetter genießen wollten, überlegten wir, was zu tun sei.

Nach einiger Zeit frischte der Wind ein wenig auf und man konnte zumindest durch die Wellen dümpeln, um sie anschließend zum Abreiten zu erwischen. Noch immer waren die Wellen groß und kräftig und perfektes Timing war gefragt. Machte man sich zu früh oder zu spät auf den Weg durch die Brecher, erwischten einen die größten Wellen eines Sets und brachen erbarmungslos über einem und seinem Material. Dennoch konnten die Holländer und ich die Session bei, beziehungsweise dank dem wunderschönen Wetter genießen.

Ich erwischte einige schöne Wellen, die teilweise auch 4 oder 5 Turns erlaubten. Natürlich fehlte der Wind für aggressive Ritte, aber so war wenigstens Soulsurfen angesagt.

Doch auch diese Session ging irgendwann zu Ende und ich musste mir überlegen, wie es weitergehen sollte. Ich war auf die Fähre übermorgen gebucht, doch hier drohte dank der nächsten Sturmfront schon wieder eine Stornierung. Die einzige Fähre an einem windstillen Tag, dem morgigen Tag, war ausgebucht. Lange haderte ich, überlegte hin und her und entschloss mich letztendlich dennoch in Richtung des Fährhafens Obans zu fahren. Ich wollte mein Glück am morgigen Tag probieren und versuchen, einen Platz auf der ausgebuchten Fähre nach Tiree zu erwischen.

In völliger Dunkelheit kam ich in Oban an, stellte mich auf einen kleinen Parkplatz und schlief die wenigen Stunden bis zur Fähre in der Früh um fünf Uhr . Ich wollte möglichst früh am Pier sein und mit viel Glück noch einen Platz auf der Fähre erhaschen. Doch diese Idee hatten mehrere Autos vor mir und ich war Nummer 8 oder 9 der Autos ohne Buchung, die auf einen freien Platz hofften. Meine kleine zarte Hoffnung schwand jäh, während die Autos mit Reservierung nacheinander im Bauch des Schiffes verschwanden.

Mittlerweile war die Uhrzeit des Ablegens fast erreicht, alle regulären Autos verschifft und ich fand mich damit ab, auf eine Fährfahrt morgen hoffen zu müssen. Doch in genau diesem Moment setzte sich unsere Kolonne in Bewegung und die Hafenmitarbeiter winkten ein Auto nach dem anderen in Richtung Schiff. Sollte ich tatsächlich so viel Glück haben? Noch wagte ich nicht daran zu denken, doch kurze Zeit später fand auch ich mich im Bauch des Schiffes wieder. Als eines der letzten Autos quetschte ich mich in die letzte Reihe, ehe die Luke hinter mir mit einem lauten Knall geschlossen wurde. Ich hatte es tatsächlich geschafft!

Fast eine Woche nach meiner Ankunft in Großbritannien war ich endlich auf dem Weg zu meinem ursprünglichen Ziel: Tiree. Sechs Tage verbrachte ich in Schottland, die so nie geplant waren und die mir immer wieder alles abverlangt hatten. Wie viel ich in diesen Tagen erlebt und gesehen hatte, war mir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst. Ich war einfach froh, endlich mein Ziel vor Augen zu haben. Als die Fähre brummend und vibrierend vom Hafen ablegte und in See stoch, ließ ich mich zufrieden in einen Sessel sinken. Was sollte denn jetzt noch schief gehen?

Lag ich damit richtig? Konnte tatsächlich nichts mehr schief gehen? Bleibt auf den vierten und letzten Teil meines Reiseberichts gespannt! :)