Thesis schreiben auf Sizilien

Seit fast zwei Jahren arbeitete ich nun schon in Vollzeit und absolvierte nebenher meinen berufsbegleitenden Master. Freizeit war also Mangelware und diese dann auch noch von latentem schlechten Gewissen geprägt, dass man doch was für die Uni machen müsste.

Nichtsdestotrotz – oder vielleicht auch gerade deswegen – gingen die zwei Jahre wie im Flug vorbei und meine Abschlussarbeit, die Masterthesis, stand an. Glücklicherweise hatte ich im April noch fast drei Wochen Resturlaub aus letztem Jahr und so entschloss ich mich das Nützliche mit dem Sinnvollen zu verbinden: Für drei Wochen quartierte ich mich im neu geschaffenen Paradies in Puzziteddu, dem Windresort der Familie Capuzzo, auf Sizilien ein. Der Plan: Thesis schreiben und nebenher so viel Zeit wie möglich auf dem Wasser verbringen.

Ob so ein Plan tatsächlich aufgehen kann oder ob im Endeffekt die Thesis oder das Surfen den Kürzeren ziehen muss, wusste ich im Vorfeld selber noch nicht. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt! ;)

Nach einer fast eintägigen Fährfahrt fand ich mich Anfang April also im chaotischen Straßenverkehr Palermos wieder. Hier sind Verkehrsregeln eher als grobe Empfehlung, an die man sich halten kann aber nicht zwingend muss, anzusehen. Stellt man sich darauf ein, kommt man überraschend einfach und schnell durch die zahlreichen kleinen Gassen der Stadt.

Schon nach kurzer Zeit schlug ich also den bekannten Weg nach Puzziteddu ein und wurde von gewaltigen Wolkenbrüchen begrüßt. Doch unbeirrt bahne ich mir den Weg über die klitschnassen Straßen mit badewannegroßen Schlaglöcher. Kaum in Puzziteddu angekommen, hörte es auf zu regnen und keine zehn Minuten später strahlte die Sonne vom Abendhimmel. Francesco versprach mir eine geniale Abendsession und ungläubig verzog ich mich in meinen Bus. Doch tatsächlich: 15 Minuten später pfiff ein Wind für mein 4.8er-Segel von rechts. Zusammen mit Wellen bis knapp einen Meter boten sich ideale Bedingungen zum Einfahren und für die ersten Loops des Jahres. Erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit kam ich vom Wasser und schlief die erste Nacht wie ein Baby.

Auch der nächste Morgen lieferte nochmal die selben Bedingungen und nachdem ich mich in meinen noch nassen Neo gequält hatte, genoss ich den Tag in vollen Zügen, ehe der Wind gegen Mittag abflaute.

Sollte der Urlaub so weitergehen, würde es für meine Thesis sehr, sehr schlecht aussehen.

Und in der Tat kündigte sich für den übernächsten Tag schon wieder Wind an, den ich freudig erwartete. Dieser kam auch, aber leider nur in einer Stärke die die Kiter lachen ließ. Für uns Windsurfer waren es genau zwei, drei Knoten zu wenig.

Doch ich sah es gar nicht ein die schönen Wellen den Schnürchenpiloten zu überlassen und so schraubte ich mein 4.8er (unter den ungläubigen Blicken der anderen Windsurfer) auf mein SUP. Gemütlich dümpelte ich zwischen den Kitern entlang und schnappte mir eine Welle nach dem anderen. Zwar nicht das Windsurfen für das ich nach Puzzi gekommen bin, aber dafür mega entspannt.

Tags darauf war der Wind zwar abgeflaut, aber die Wellen liefen immer noch beständig in die Bucht. Also wieder das SUP geschnappt – diesmal ohne Segel – und in die Wellen gepaddelt. Ein weiterer Tag entspanntes Soulsurfen ging so voran und die Thesis…die lag weiter unbeachtet in der Ecke. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen zeitigen Master-Abschluss.

Doch das Blatt sollte sich ändern: Auf die ersten Tage voller Wind und Wellen sollte fast eine Woche Flaute pur folgen. Während das Surferherz schmerzend blutete, freute dies die Thesis, die in dieser Zeit fleißig Fortschritte machte. Nichtsdestotrotz ließ ich die Seele ausgiebig baumeln und verbrachte viel Zeit in der Sonne, in der Hängematte oder bei Vollmond im Whirlpool mit Blick auf den Spot. Dies und vieles mehr macht das Windresort in Puzziteddu zum absoluten Paradies (mehr dazu HIER)!

Trotz aller Entspannung sehnte ich mich wieder nach erstklassigen Windsurfbedingungen. Zum Glück lebte nach fast einer Woche die Forecast wieder auf und ich verbannte die Thesis wieder in die Tiefen meines Rechners.

Leider stellte mich der Wind anfangs auf eine harte Geduldsprobe und wehte immer knapp unterhalb der Gleitschwelle. Nichtsdestotrotz verbrachte ich Stunde um Stunde auf dem Wasser und vergnügte mich in den zu Beginn noch sehr kleinen Wellen. Die nächsten Tage wurden immer besser und Francesco und ich tobten uns fleißig aus. So verging Tag um Tag und der Urlaub neigte sich langsam dem Ende entgegen. Doch das Highlight sollte noch kommen:

Ein Tag mit perfekten Sideoff-Bedingungen und bis zu 2,5 Meter Welle. Dies war ein Tag von dem ein Windsurfer jahrelang träumt. Fünf, sechs Turns in einer Welle bei feinsten down-the-line-Bedingungen, meterhohe Loops und strahlender Sonnenschein.

Doch auch dieser Tag und damit der ganze Urlaub ging zu Ende. Was war also geblieben? Eine halbherzig zusammengeschusterte Thesis oder ein fast fertiges Konstrukt, dem aber die sämtliche Urlaubserholung zum Opfer fiel?

Zum Glück keines von beiden! Dieses wunderschöne Fleckchen Erde machte es mir tatsächlich möglich meine Thesis fast vollständig fertigzustellen und gleichzeitig meine Seele baumeln zu lassen. Genau so hatte ich es mir vorgestellt.

Doch nichtsdestotrotz: Ich freue mich auf das nächste Mal ohne so eine blöde Abschlussarbeit! ;)

Den klassischen Urlaubstag in Puzzi habe ich HIER nochmals in einem Video festgehalten.